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Versorger dreht warmes Wasser ab

Weil der Vermieter die Vorauszahlungen für die Nebenkosten nicht weiterreicht, büßen die Mieter in Olbersdorf.

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© Matthias Weber

Von Holger Gutte

Sandra Klusmann ist stinksauer. Seit Sonnabendmittag hat sie bis Montagnachmittag kein warmes Wasser. „Wir sind in unserem Kleingarten gewesen und haben es daher erst abends gemerkt, als die Kinder duschen wollten“, sagt die 38-Jährige. Schon bei einem Kind fällt es schwer, ihm erklären zu müssen, dass es kein warmes Wasser gibt. Bei sieben – und so viele Kinder hat Sandra Klusmann – ist das noch schwerer. Und ihr jüngstes Kind ist gerade mal zwei Jahre alt. „Ich habe 2010 die Wohnung unter ganz anderen Voraussetzungen gemietet“, schildert sie.

Damals wollte sie von Hessen wieder in ihre Heimat zurück. Und für neun Personen eine Wohnung zu finden, ist nicht leicht. Übers Internet ist sie auf ihre heutige Wohnung im Haus Bergblick 7 in der Olbersdorfer Grundbachsiedlung aufmerksam geworden. Der Blick aus dem Fenster aufs Zittauer Gebirge ist einmalig. „Aber das ist fast auch schon alles“, meint sie. Seit 2010 hat sie nun schon den vierten Vermieter erlebt – und nichts habe sich geändert.

Mittlerweile füllt sich bei ihr schon der zweiten Aktenordner mit Eingaben und Klagen gegenüber dem Vermieter. Erst über einen Anwalt hatte sie beispielsweise erreicht, dass das Problem mit den undichten Fenstern in ihrer Wohnung behoben wird. Sandra Klusmann fühlt sich, auf Deutsch gesagt, richtig verarscht. Die Projekt B Olbersdorf Grundstücksgesellschaft streicht die Miete ein, reicht aber den Anteil für die Wärmeversorgung an die Kommunale Wohnungsbau- und Verwaltungsgesellschaft Olbersdorf (KWV) nicht weiter. Und das nun schon zum wiederholten Male. Erst Anfang Juni hatte die KWV für vier Tage die Wärmeversorgung der Wohnblöcke Zum Grundbachtal 17-21 und 31-35, Buchbergstraße 1-5 sowie Töpferstraße 1-7 eingestellt. Grund dafür sind damals wie heute nicht bezahlte Rechnungen für Wärmelieferungen durch die Projekt B-Gesellschaft. Kurz vor Pfingsten ist es damals um einen Betrag von rund 76 000 Euro gegangen. Wie hoch die offenen Zahlungen derzeit sind, wollte KWV-Geschäftsführer Karsten Hummel am Montag nicht sagen. Aber er konnte mitteilen, dass nun etwas Geld geflossen ist, und schon ab 13 Uhr die ersten Wohnungen wieder warmes Wasser haben. Als um 14.30 Uhr Sandra Klusmann den Wasserhahn aufdrehte, kam immer noch nur kaltes Wasser.

Drei der vier Mieter im Haus, mit denen die SZ gesprochen hat, würden sofort in ein anderes Haus ziehen. Aber das ist nicht so einfach. Wenn man bei einem Vermieter nach einer großen Wohnung wegen der Kinder fragt, geht der von maximal drei Kindern aus, schildert Badi Aziz. Er aber hat fünf Kinder. Ina Nowak sechs. Beide wohnen mit ihren Familien im selben Haus wie Frau Klusmann. Weil für sie eine Vier-Zimmer-Wohnung zu klein ist, mieten sie jeweils zwei Wohnungen auf einer Etage.

Sandra Klusmann beschwert sich schon bei der Gemeindeverwaltung und der KWV nicht mehr. „Weil es eh nichts bringt“, sagt sie. Immer wieder ist sie in der Vergangenheit in solchen Fällen an den Vermieter verwiesen worden. Es ist ja nicht nur die Wärmeversorgung. Am 26. April 2012 benachrichtigte die Sowag die Mieter im Haus, dass sie zum 9. Mai das Wasser abstellt. „Das kann doch nicht sein, dass über so viele Jahre hinweg man ständig Angst haben muss, dass irgendetwas im Haus abgestellt wird, obwohl man seine Miete zahlt“, ärgert sich Sandra Klusmann. Am Montagvormittag hat sie das Problem mit der Warmwasserversorgung beim Jugendamt angesprochen. Dort wollte man sich an die Gemeinde und die KWV wenden. „Ich kann doch nicht für alle warmes Wasser kochen. Das wird zu teuer“, sagt sie.

Badi Aziz ist mit seiner Frau und den fünf Kindern am Sonntag ins Olbersdorfer Bad gegangen. „Wir haben uns dort geduscht“, erzählt er. Aber ständig Eintritt bezahlen will er auch nicht. Seine Nachbarin Ina Nowak berichtet: „Ich habe, um wenigstens eine kleine Pfütze mit warmem Wasser für die Kinder zu haben, Wasser in zehn Töpfen gekocht und genauso oft den Wasserkocher benutzt.“ Ihr jüngstes Kind ist erst elf Monate alt. „Ich bereue so sehr, 2015 den Mietvertrag für dieses Haus unterschrieben zu haben, nur weil es eine große Wohnung war“, sagt sie. „Sogar unter einer Insolvenzverwaltung würde es uns besser gehen“, fügt Sandra Klusmann hinzu. Im Wohngebiet Grundbachsiedlung in Olbersdorf gibt es noch zwei andere große Wohnungsunternehmen. Dort hätten die Mieter aber nicht so viel Ärger. „Aber die bieten halt nicht so große Wohnungen an oder würden nach einem Umbau nicht mehr bezahlbar sein“, schildern sie.

Ihr Vermieter, die Projekt B Olbersdorf Grundstücksgesellschaft, hat seinen Sitz in Baden-Württembergberg und ein Büro in Olbersdorf. Dort ist gestern Nachmittag telefonisch niemand zu dem Problem erreichbar gewesen.

Wie die Polizeidirektion Görlitz der SZ bestätigt, ermittelt die Kripo aktuell zu zwei Fällen, die in den vergangenen Wochen per Online-Anzeige an die Polizei herangetragen wurden. „Den Vorwürfen nach soll der Vermieter die Nebenkostenvorauszahlungen mehrerer Mieter von Wohnungen in verschiedenen Wohnblöcken im Olbersdorfer Neubaugebiet nicht an die örtlichen Versorgungsunternehmen weitergeleitet haben“, schildert Polizeisprecher Thomas Knaup. In einem anderen Fall berichtet eine ehemalige Mieterin, dass Projekt B Olbersdorf ihr hätte längst ein Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung des Jahres 2016 überweisen müssen. Nach dem Auszug aus der Wohnung stehen ihr hiervon noch 558 Euro zu.

Um 15 Uhr hatten am Montag aber erst einmal die Familien Klusmann, Badi und Nowak am Bergblick 7 in Olbersdorf wieder warmes Wasser.