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Verkehrskollaps wegen Elterntaxis

Viele Kinder werden mit dem Auto zur Hainsberger Schule gebracht. Lehrer stehen dem Chaos machtlos gegenüber.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Annett Heyse

Freital. Es ist 7.10 Uhr und das tägliche Verkehrschaos rund um die Hainsberger Geschwister-Scholl-Grundschule nimmt Fahrt auf. Es beginnt mit der Ankunft der Linie A aus Richtung Deuben. Die Bustüren öffnen sich und Dutzende Kinder drängen heraus. Sie laufen in die enge Richard-Wolf-Straße hinein. Gleichzeitig rangieren dort die Elterntaxis der Mütter und Väter, die ihre Kinder vor der Grund- und Oberschule ausladen. Benzingestank liegt in der Luft. Alexander Nestler schüttelt den Kopf. „So ist das hier fast jeden Morgen, seit Jahren. Das Problem ist bekannt, aber keiner hat eine Idee, was man dagegen tun könnte.“

Und das Chaos setzt sich fort. Hinter der Turnhalle der beiden Schulen gibt’s einen Parkplatz. Dort werden weitere Grundschüler ausgeladen, die nicht mit dem Bus oder zu Fuß kommen. Der Parkplatz hat zwei enge Zufahrten, die beiden Verkehrsströme treffen sich genau in der Mitte des Areals – und verkeilen sich häufig, was wiederum zum Stau in den Zufahrten führt.

Die Geschwister-Scholl-Grundschule hat mit Hainsberg, Somsdorf und Deuben ein großes Einzugsgebiet. Etliche Schüler wohnen sogar in Stadtteilen, die noch weiter entfernt liegen. Zu Fuß oder mit dem Rad zur Schule zu kommen, ist da indiskutabel. Auch die Kinder von Alexander Nestler werden mit dem Auto gebracht. Was den Vater aber so aufregt, ist der Egoismus vieler Eltern. „Die denken nur an sich und ihr Kind.“

Dabei ist die Straße ab der Turnhalle, über die hintere Zufahrt und bis zur Hainsberger Straße als „Spielstraße“ beschildert. In dieser verkehrsberuhigten Zone gilt Schritttempo und besondere Aufmerksamkeit. Nestler: „Aber es wird reingedüst, rangiert und wild geparkt.“ Dass die Verkehrssituation rund um die Hainsberger Grundschule tatsächlich unübersichtlich ist, bestätigt Direktorin Sybille Behrisch. „Die Eltern sind daran nicht ganz unschuldig“, formuliert es die Pädagogin diplomatisch. Knackpunkt ist aus ihrer Sicht die kleine Kreuzung Hainsberger/Somsdorfer/Richard-Wolf-Straße. Jedes Jahr mache die Stadt eine Umfrage unter den Erstklässlern. „Immer wieder kommt dabei heraus, dass sich die Kinder dort total unsicher fühlen“, schildert Sybille Behrisch. Nicht selten komme es zu gefährlichen Situationen. Erst Mitte März touchierte eine Autofahrerin ein sechsjähriges Kind, das die Straße nahe der Bushaltestellen überquerte.

Reichlich Verkehr gibt es morgens vor etlichen Freitaler Grundschulen. Eltern, die ihre Kinder bringen, damit der Schulweg schneller und vermeintlich sicherer bewältigt werden kann, sind in Zauckerode ebenso wie in Birkigt oder Potschappel zu beobachten. Dabei gefährden die Autofahrer häufig all die Kinder, die zu Fuß unterwegs sind – vor allem in den Wintermonaten, wenn es frühmorgens dunkel und deshalb besonders unübersichtlich ist.

In Hainsberg ringt man schon seit Jahren um eine Verbesserung der Situation. Es gab mehrere Diskussionsrunden bei Elternabenden, im Elternrat, in der Schulleitung und Vor-Ort-Termine mit Verantwortlichen aus der Stadtverwaltung. „Ich bin seit zehn Jahren hier Schulleiterin, es hat sich schon viel getan“, berichtet Sybille Behrisch. So entstand entlang der Richard-Wolf-Straße ein Fußweg, es wurden Markierungen aufgebracht, eine Einbahnstraßenregelung an der Turnhalle ausgeschildert. Entlang der hinteren Zufahrt, die dort „Zu den Kleingärten“ heißt, wurden sogar Geschwindigkeitskontrollen durchgeführt. Wirklich sicher würden sich ihre Schüler trotzdem nicht fühlen, so Behrisch. Sie könne sich vorstellen, dass ein Fußgängerüberweg auf der Hainsberger Straße eine gute Lösung wäre.

Im Stadtbauamt Freital, Abteilung Verkehrsbehörde, arbeitet Franziska Stejskal. Sie hat sich über Jahre mit der Situation an den Hainsberger Schulen beschäftigt. „Fakt ist, wir hätten das Problem nicht, wenn weniger Schüler mit dem Auto gebracht würden“, sagt Stejskal. Aber sie ist auch Sachbearbeiterin und hat daher „alles rausgeholt, was möglich ist.“ Auf der Hainsberger herrscht mittlerweile zwischen 6 und 17 Uhr Tempo 30, zudem warnen Kinder-Piktogramme auf dem Asphalt die Autofahrer. Die Busse schalten die Warnblinkanlage an, wenn sie in die Haltestellen einfahren. Stejskal: „Es gab sogar mal Schülerlotsen. Das wurde über die Schulen organisiert und hat die Situation deutlich entspannt.“ Ein Unfallschwerpunkt sei die Umgebung der Hainsberger Schule jedoch nicht. „Bis auf den leichten Unfall im März ist da nie etwas passiert.“

Den von Eltern und Schulleitung vorgeschlagenen Zebrastreifen kann die Stadt aber nicht umsetzen. Vorschriften zu Abständen von Kreuzungen und Kurven sowie Sichtbeziehungen stehen dagegen. Und dort, wo ein Überweg Platz hätte, befindet sich eine Grundstücksausfahrt. Bleibt noch die Frage nach einer Fußgängerampel. „Das ist das gleiche Problem wie mit dem Zebrastreifen, auch dafür ist kein Platz“, sagt Franziska Stejskal. Die einzige Möglichkeit wäre, die Ampel direkt an der Kreuzung zu installieren und dann auch alle Straßen einzubeziehen. Aus Sicht der Stadt wäre der Aufwand aber nicht verhältnismäßig.