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Urteil nach Gasexplosion in Görlitz

Im Januar 2016 soll ein Familienvater fahrlässig eine Explosion herbeigeführt haben, sein dreijähriger Sohn starb. Das Gericht entschied nun, dass der Mann nicht ins Gefängnis muss.

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© nikolaischmidt.de

Miriam Schönbach

Görlitz. Dieser 3. Januar 2016 wird der Familie immer in Erinnerung bleiben. Beschwingt sind Mutter und Vater mit ihren vier Kindern in der Nacht zuvor aus den Weihnachtsferien in ihrer polnischen Heimat nach Görlitz zurückgekehrt. Erst vor kurzem haben sie sich ein marodes Altstadthaus in der Stadt gekauft. Es soll der Start in ein neues Leben sein. Doch eine Gasexplosion zerstört diesen Traum jäh. Der dreijährige Sohn der Familie stirbt aufgrund schwerster Verbrennungen wenige Tage nach dem Unglück. Ehefrau und Tochter zeichnen Brandnarben.

Verantwortlich dafür ist der 43-jährige Familienvater. Zu diesem Urteil ist das Landgericht Görlitz am Donnerstag nach drei Verhandlungstagen gekommen und verhängte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung. Die Richter sprachen den Mann wegen fahrlässiger Tötung und Brandstiftung sowie fahrlässigem Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und fahrlässiger Körperverletzung schuldig.

„Wir sehen es als erwiesen an, dass der Angeklagte mit Hilfe von Propangas Holz in einem Kachelofen entzündet und objektiv fahrlässig hantiert hat“, sagte der Vorsitzende Richter. Dass das Urteil dennoch relativ mild ausfiel, hängt mit den Folgen für den Angeklagten zusammen. „Die Verletzungen seiner Familie zu lindern, wird den Angeklagten ein Leben lang beschäftigen“, sagte die Staatsanwältin. Und immer wieder werde ihn wohl dieser 3. Januar 2016 verfolgen, als kurz nach 15 Uhr sein Haus in Flammen stand.

Der 43-Jährige würde alles dafür geben, diesen Tag ungeschehen zu machen. Blass saß der Familienvater neben seinem Verteidiger und der Dolmetscherin auf der Anklagebank. Immer wieder brach er im Gerichtssaal in Tränen aus, wenn es um die Tragödie an jenem kalten Wintertag ging: Der Vater will es in dem zugigen Altstadthaus wenigstens im Wohn- und Schlafzimmer gemütlich machen. Wie so häufig, so schilderten es Zeugen, greift der ausgebildete Installateur zu seiner selbstgebauten Vorrichtung, um den Ofen anzuzünden. Über einen Schlauch verbindet er für dieses „Feuerzeug“ eine Propangasflasche mit einem Kupferrohr.

„Anhand der Sachverständigenaussagen können wir einen technischen Defekt ausschließen“, sagte der Richter. „In Anbetracht der erheblichen Folgen der Tat gehen wir davon aus, dass Sie derart nachlässig nie wieder mit Gas umgehen werden“, beendete er seine Urteilsbegründung.

Die Frau der Angeklagten verfolgte den Urteilsspruch von den Besucherplätzen im Gericht. Sie hatte sich kurz vor der Gasverpuffung mit zwei Kindern zum Mittagsschlaf gelegt. Als sie erwachte, sah sie eine Flamme, die „irgendwo aus dem Ofen kam und am Gasschlauch leckte“. Weniger später stand der Raum schon fast vollständig in Flammen. Ihre beiden Kinder mussten sich aus dem Fenster retten. Es dauerte nicht lange, bis die hölzernen Türstöcke, die Decke und die Holzfenster komplett in Flammen standen.

Während die meisten Hausbewohner mit Rauchgasverletzungen davonkamen, wurden der Angeklagte, seine hochschwangere Frau sowie die zwei Kinder schwer verletzt. Der dreijährige Sohn starb wenige Tage später an Organversagen aufgrund der schweren Verbrennungen. Das noch ungeborene Kind wurde per Notkaiserschnitt entbunden. Ihm geht es heute gut. Die Verbrennungen von Mutter und Tochter behandeln Spezialkliniken. Vor Gericht sagte die Ehefrau aus, dass sie ihrem Mann vergebe habe und immer zu ihm stehen werde.

Der Verteidiger hatte Freispruch für den Angeklagten beantragt mit der Begründung, dass er nicht glaube, dass der Brand durch das Befeuern des Ofens entstanden sei. Nach der Urteilsverkündung kündigte er an, das Urteil nicht anzufechten. (dpa)