Merken

Urteil im Mandauleichen-Prozess

Das Landgericht Görlitz verurteilte die Täter für Körperverletzung mit Todesfolge zu vier Jahren bzw. 24 Monaten Haft. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.

Teilen
Folgen
© Polizeifoto / Repro: Ralph Schermann

Jens-Rüdiger Schubert

Görlitz. Die Schwurgerichtskammer des Görlitzer Landgerichts hat am Dienstagnachmittag das Urteil gegen die beiden Angeklagten im Mandauleichenprozess gesprochen. Die heute 57 und 52 Jahren alten Männer wurden wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt. Das Gericht sah für den Älteren fünfeinhalb Jahre und für den zweiten Täter 24 Monate Haft, die zur Bewährung ausgesetzt sind, als angemessen an. Den 27. Oktober 1996 werden die Zittauer wohl bis heute nicht vergessen haben. An jenem Tag wurde am Ufer der Mandau eine männliche Leiche gefunden. Wie sich später herausstellte, handelte es sich um die sterblichen Überreste eines damals 46-Jährigen aus dem Trinkermillieu. Die Spuren ließen zu diesem Zeitpunkt zwei Schlußfolgerungen zu. Erstens: Der Mann starb keines natürlichen Todes. Und Zweitens: Der Fundort ist nicht der Tatort.

Mit dem Auffinden der Leiche begann eine jahrzehntelange Ermittlungsarbeit, wobei auch die Frage im Mittelpunkt stand, ob es sich dabei um Mord oder um eine Körperverletzung mit Todesfolge handelte. Die forensischen Untersuchungen bestätigten schließlich, dass der Mann an den Folgen massiver Einwirkungen mittels Schlägen und Tritten zu Tode gekommen war. Dem Gutachter zufolge hatte das Opfer bewusstlos auf dem Rücken gelegen und dadurch Blut eingeatmet. Aber die Ermittlungen im Zittauer Trinkermilieu blieben jahrelang ergebnislos. Erst, als die Staatsanwaltschaft aufgrund drohender Verjährung alles auf eine Karte setzte und – im Gegensatz zu den Ermittlungen von 1996 – die maßgeblichen Zeugen einzeln vernahm, verstrickte sich eine Zeugin in Widersprüche. Plötzlich fielen alle Puzzleteile an den richtigen Platz und offenbarten ein seit etlichen Jahren gut gehütetes Geheimnis um den Tod des damals 46-Jährigen.

Demnach hatte sich der Tattag wie folgt abgespielt: Wie so oft saßen sechs Bekannte in der Wohnung der Hauptzeugin zusammen, um zu trinken. Als die Alkohol-Vorräte zu Ende gingen, entbrannte der Streit darüber, wer den Nachschub holen sollte. Spätestens zu diesem Zeitpunkt überschlagen sich die Ereignisse. Gegenseitige Beleidigungen und Offenbarungen führten dann dazu, dass die beiden jetzt Angeklagten, die ebenfalls an der Trinkerrunde teilnahmen, auf das spätere Opfer einschlugen. Erst in der Küche und dann im Wohnzimmer. Auch als das Opfer bereits verletzt am Boden lag, haben die beiden weiter geschlagen und getreten. Ohne sich weiter um das Opfer zu kümmern, wurde anschließend weiter gesoffen. Später, als die Trinker feststellten, dass das Opfer tot war, beschlossen sie, dass die Leiche aus der Wohnung verschwinden muss. Während der Rest der Gruppe die Wohnung von den Spuren befreite, stopften die Angeklagten den Leichnam in eine Mülltonne und kippten ihn an der Mandau, nahe der Brücke nach Olbersdorf, ab. Damit wollten sich alle Beteiligten ihrer Verantwortung entziehen.

Nachdem 1998 die Ermittlungen zunächst ergebnislos eingestellt wurden, hofften die Tatbeteiligten, dass Gras über den Vorfall wächst. Keiner von ihnen hatte mit den stetigen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gerechnet. Auch, wenn jetzt nicht mehr alle strafrechtlich verantwortlich gemacht werden können, moralisch sind sie es in jedem Fall. Egal wo, warum und wie sich der Fall tatsächlich abgespielt hat. Der oder die für den Tod des Mannes Verantwortlichen müssen bestraft werden. Aus diesem Grund klagte die Staatsanwaltschaft die beiden 57-jährigen und 52-jährigen Männer wegen Körperverletzung mit Todesfolge an. Im Prozess vor der Schwurgerichtskammer des Görlitzer Landgerichts räumten beide ein, auf das Opfer eingeschlagen zu haben. Aber mit unterschiedlicher Intensität. Das zeigte sich nun auch in der Beweisaufnahme. Die Zeugen machten in ihren Aussagen überwiegend den Älteren zum Haupttäter. Davon ist auch die Staatsanwaltschaft überzeugt. Zudem ist der Mann dem Gericht schon seit 1978 bekannt. Immer wieder gab es Verurteilungen wegen Diebstahls und Raub. Ein Sachverständiger, der im Prozess zu Rate gezogen wurde, bezeichnete ihn als dissoziale, alkoholabhängige Persönlichkeit mit äußerst niedriger Hemmschwelle.

Zur Zeit ist der 57-Jährige in Haft. 2015 war er wegen besonders schweren Raubes zu 36 Monaten verurteilt worden. Als ihm ein Bekannter keine 3000 Euro geben wollte, hatte er ihm mehrfach Bierflaschen auf den Kopf geschlagen. In Anbetracht der bereits bestehenden Verurteilung beantragte die Staatsanwaltschaft unter Einbezug des Urteils eine Haftstrafe von 78 Monaten zu verhängen. Die Verteidigung plädierte auf 48 Monate Haft. Sie begründete den Antrag damit, dass weit mehr Menschen an der Tat beteiligt waren, als jetzt auf der Anklagebank saßen. Zudem liege die Tat schon über 20 Jahre zurück.

Wenn es nach dem Willen der Staatsanwaltschaft geht, dann muss auch der der zweite Angeklagte ins Gefängnis. Die Ermittlungsbehörde beantragte auf Grund seiner erwiesenen Tatbeteiligung 39 Monate Haft. Aber seine Verteidigung sieht das ganz anders und plädierte auf einen minderschweren Fall. Der Angeklagte sei zwar zur Tatzeit aktiver Trinker gewesen, aber im Gegensatz zum anderen Angeklagten weder davor noch danach strafrechtlich in Erscheinung getreten. Deshalb beantragte die Verteidigung, den 52-Jährigen zu einer Bewährungsstrafe zu verurteilen. In ihren Schlussvorträgen und im letzten Wort machten die Angeklagten deutlich, dass ihnen der Ablauf der Ereignisse leid tut. Keiner habe den Tod des Mannes gewollt. Nach der Beweisaufnahme verurteilte das Schwurgericht schließlich den 57-Jähriger Täter zu 66 Monaten, den Mittäter zu 24 Monaten Haft. Die 24-monatige Haft ist für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Die Urteile vom Dienstag sind noch nicht rechtskräftig.