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Umstrittene Gipfelträume

Die Sächsische Schweiz hat 28 neue Klettergipfel. Ohne Kompromisse ging das nicht.

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© Mike Jäger

Von Mike Jäger

Nach jahrelangen Diskussionen hat das Sächsische Umweltministerium im linkselbischen Landschaftsschutzgebiet Sächsische Schweiz 28 neue Klettergipfel anerkannt, die nun in die neue Bergsportkonzeption aufgenommen wurden. Bisher war das Klettern an diesen Felsen illegal. Nun sind sie für den Sport freigegeben. An der Konzeption hatten Sachverständige der Nationalparkverwaltung, Vertreter des Sächsischen Bergsteigerbundes und weitere Behörden sowie Privateigentümer mitgewirkt und über die Zulassung der 28 Klettergipfel abgestimmt.

„200 Felsbildungen, teilweise früher schon erschlossen und teils in älteren Kletterführern beschrieben, wurden untersucht. Davon sind 28 übrig geblieben“, sagt Andreas Knaak, Experte der Nationalparkverwaltung. Hauptkriterium bei der Überprüfung war der Arten- und Biotopschutz. Naturschutzgesetz hin oder her – es wurden erstaunliche Kompromisse möglich.

Am Pfaffenstein sind einige Kletterziele hinzugekommen und im aktuellen Kletterführer verzeichnet, ebenso einige familienfreundliche Gipfel in den Nikolsdorfer Wänden, die sportlich weniger anspruchsvoll sind. Im Klettergebiet Bielatal gibt es zehn „neue“ Gipfel. Einer davon ist die sogenannte Bergstation, am Südhang des Glasergrundes gelegen. Von unten betrachtet erscheint der Fels imposant. In der hohen luftigen talseitigen Felswand sind schon einige Kletterrouten erschlossen worden, die sich Beliebtheit erfreuen. In Internetforen, wo man sich über das Elbsandsteinklettern austauscht, ist man des Lobes voll über die Routen an der Bergstation.

Die Kriterien zur Gipfelanerkennung haben sich offiziell nicht geändert. Das Sächsische Naturschutzgesetz regelt das Felsklettern in der Sächsischen Schweiz: Felsformationen gelten als besonders schützenswerte Biotope und dürfen eigentlich nicht beklettert werden. Zulässige Ausnahme im Sächsischen Elbsandsteingebirge ist das Felsklettern an den Klettergipfeln, in bisheriger Art und im bisherigen Umfang mit Betonung auf Biotop schonende Art und Weise und nach den Sächsischen Kletterregeln. Als Klettergipfel gelten dabei frei stehende Felsen von mindestens zehn Metern Höhe, die nur durch Kletterei, Herüberfallen oder Sprung von benachbarten Felsgebilden zu besteigen sind.

„Ohne jetzt jedes Mal mit dem Bandmaß nachzumessen, haben wir geprüft, ob es ein frei stehender Klettergipfel ist“, sagt Knaak von der Nationalparkverwaltung. Die Bergstation jedoch wurde sogar vermessen, es sei eine Schartenhöhe von 7,8 Metern ermittelt worden. Darüber kann man sich streiten. Gemessen wird eigentlich vom höchsten Punkt in der Einklüftung zwischen Massivwand und dem Gipfel. Ein der Bergstation vorgelagerter Felsrücken gilt als Massiv. So bezeichnen Kletterer ein Felsgebilde, das ohne oder mit sehr kurzer Kletterei erreichbar ist. Offensichtlich ist für die Bergsportkonzeption eine andere Strecke gemessen worden.

Es stellt sich die Frage: Ist die Veröffentlichung bestimmter Felsgipfel in den neuen Kletterführern, an deren Anerkennung der Sächsische Bergsteigerbund und die Nationalparkverwaltung beteiligt waren, im Einklang mit dem Gesetz? Christian Glaser, Leiter der Arbeitsgemeinschaft Neue Wege/Kletterführer im Bergsteigerbund meint: „Natürlich mussten Kompromisse eingegangen werden. Auf der einen Seite haben vielleicht einige Klettergipfel nicht die geforderte Höhe. Auf der anderen Seite gab es bei der Untersuchung auch Gipfel von reichlich mehr als zehn Meter Höhe, die aber aus naturschutzfachlichen Gründen nicht infrage kamen.“