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Wende im „Nazi-Koffer-Fall“

Nach einem historischen Umzug in Colmnitz sorgte ein Koffer mit Hakenkreuz für Aufregung. Die Staatsanwaltschaft ermittelte – und entlastet nun den Träger

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© dpa/Fischer

Maik Brückner

Colmnitz. Für mehrere Tage war der Colmnitzer Festumzug ein Fall für die Polizei. Ein Teilnehmer hatte einen Koffer mit einem Hakenkreuz mitgetragen. Die Polizei nahm Ermittlungen auf. Der Vorwurf: Der Mann habe sich strafbar gemacht, da er ein Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gezeigt habe.

Anfang Juni übernahm die Staatsanwaltschaft den Fall. Sie kam nun zu einem anderen Schluss, sagt Sprecher Lorenz Haase: Demnach hat der junge Mann, der den Koffer trug, nichts zu befürchten. Das Zeigen des Hakenkreuzes sei „im Zusammenhang mit dem historischen Festumzug nicht strafbar“ gewesen. Die Begründung: Die Colmnitzer haben mit dem Umzug ihre Geschichte und damit Vorgänge des Zeitgeschehens dargestellt. Sie haben historische Bildungsarbeit geleistet, da sie die Geschichte ihres Dorfes von der Besiedlung bis zur Gegenwart gezeigt haben. Aufgrund des Paragrafen 86 Absatz drei des Strafgesetzbuches sei deshalb das Zeigen des Hakenkreuzes nicht strafbar gewesen. Zudem war nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft der Hakenkreuzkoffer weder vor noch nach dem Umzug in Colmnitz zu sehen.

Der Ausgang der Prüfung dürfte viele überraschen. Denn in der Vergangenheit sorgten allein schon die Auftritte von Militärtechnikfreunden für Debatten. So fuhren beim Tag der Sachsen in Freiberg 2012 Militariafreunde in Uniformen der Wehrmacht und Waffen-SS mit. Die Kritik war so groß, dass die Veranstalter des Tages der Sachsen Bilder von Soldaten und Kriegstechnik aus der Nazizeit und der DDR verboten. Das mag auch der Grund sein, weshalb es seither keine Diskussion mehr zu diesem Thema gab. Sprecher Lorenz Haase weiß um die Brisanz. Deshalb stellt er auch auf Nachfrage klar: Die juristische Bewertung des Festumzugs sei „kein Freibrief“ für Auftritte von Militärtechnikfreunden. „Wir werden jeden Einzelfall prüfen“.

Der Festumzug fand am 29. Mai statt. Dabei war dem Freiberger Bildjournalisten Marcus Fischer der Koffer mit dem Hakenkreuz aufgefallen. Getragen wurde er von einem jungen Mann, der nach SZ-Informationen zu einer Gruppe von lose organisierten Militärtechnikfreunden gehört. Die wollten mit Fahrzeugen und in Uniformen den Zweiten Weltkrieg darstellen. Fischer twitterte das Foto vom Koffermann. Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten: Ein Twitternutzer schrieb: „Wohl das einzige, worauf Colmnitz stolz ist.“ Ein anderer: „Wow, jetzt fallen alle Hemmungen im braunen Sachsen.“ Auch überregionale Medien griffen das Thema auf und stellten Colmnitz in Zusammenhang mit den asylfeindlichen Demonstrationen in Freital und Clausnitz dar. Spiegel Online titelte: „Colmnitz in Sachsen: Mit Nazi-Symbolik zum Dorffest.“ Ähnlich klang die Überschrift in der Internetausgabe der Wochenzeitung Die Zeit: „Mit dem Hakenkreuz zum Dorffest“.

Der Heimatverein, der den Umzug dreieinhalb Jahre vorbereitet hatte, distanzierte sich „klar von dem Verhalten der Darsteller des historischen Bildes“. Durch die Verwendung der Symbolik haben diese „den gesamten Festumzug öffentlich in Misskredit gebracht“, hieß es in einer Erklärung wenige Tage später.