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TU Dresden wehrt sich gegen Berichte

Auf dem Campus geht es immer internationaler zu. Ausländerfeindlichkeit sei nicht das größte Problem, sagt der Rektor.

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© André Wirsig

Von Nora Miethke

Dresden. Dresden sorgt regelmäßig in der New York Times, im britischen Guardian oder der französischen Le Monde für Schlagzeilen. Seit zwei Jahren scheint die sächsische Landeshauptstadt in der internationalen Presse zum Synonym für Ausländerfeindlichkeit in Deutschland geworden zu sein. Wenn dieses Thema beleuchtet wird, dann häufig am Beispiel Dresden.

So auch im Hochglanzmagazin „Zeit-Germany. Ein Leitfaden fürs Studieren, Forschen und Arbeiten in Deutschland“, erschienen im August dieses Jahres im Zeit-Verlag. Das Magazin, geschrieben auf Englisch, soll für den Wissenschaftsstandort Deutschland werben. Berlin wird mit seiner vibrierenden Start-up-Szene dargestellt, Bayern als Wanderparadies im Allgäu in Szene gesetzt. Es gibt Ratschläge, wie man am besten in Europas größter Volkswirtschaft einen Job findet und was die besten Unis sind. Nur eine Schwäche des Wissenschaftsstandorts wird identifiziert – die der Ausländerfeindlichkeit, und diese wird exemplarisch am Beispiel Dresden und der Technischen Universität Dresden (TUD) dargestellt. „Stranger in Saxony“, übersetzt „Fremder in Sachsen“, ist der Artikel überschrieben, in dem ein iranischer Student über seine schlechten Erfahrungen mit unfreundlichen Beamten und Supermarktmitarbeitern berichtet.

Joachim Klose, Chef der Konrad-Adenauer-Stiftung in Sachsen, wird zitiert mit den Worten, die Dresdner seien „city nationalists“, die verzweifelt versuchen würden, den Status quo vergangener Zeiten zu bewahren. Die Autorin erwähnt zwar das Welcome Center der TUD und die Bürgerinitiativen, die sich für ein weltoffenes Sachsen einsetzen. Dennoch, eine Werbung für den sächsischen Hochschulstandort ist das nicht.

„In dem Artikel steht nichts Falsches. Aber die Darstellung im Rahmen einer Broschüre, die für den deutschen Wissenschaftsstandort werben soll, hat uns sehr getroffen“, sagt Hans Müller-Steinhagen, Rektor der Dresdner Universität. Ausländerfeindlichkeit sei ein gesamtdeutsches Problem, mit dem auch andere Universitätsstandorte zu kämpfen hätten, fügt er hinzu. Der Artikel sorgte auch für Ärger im sächsischen Wissenschaftsministerium. Gemeinsam beschwerte man sich bei der Zeit-Chefredaktion und der Zeit-Verlagsführung. Anfang nächsten Jahres soll es ein Gespräch mit dem verantwortlichen Redakteur geben.

Das ändert nichts am Imageschaden, den der Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Sachsen erfahren hat durch den Aufstieg von Pegida und AfD und die damit verbundene Präsenz in den Medien. Den bekommen Forschungsinstitute wie Firmen zu spüren. Nicht, dass ausländische Forscher in Scharen davonlaufen. „Der Weggang von Wissenschaftlern aus politischen Gründen bremst uns nicht massiv aus. Da spielt die mangelnde, unzureichende Verkehrsanbindung eine stärkere Rolle“, meint Müller-Steinhagen. Ihm sei kein einziger Fall bekannt, bei dem sich ein Wissenschaftler oder ein Studierender über rassistische Behandlung innerhalb der TUD beschwert habe. Die 2015 eingerichtete Notfall-Hotline „Helpliness“ wird mangels Nachfrage nun für allgemeine Anfragen von Gastwissenschaftlern aus dem Ausland zur Verfügung gestellt. Aber die Gewinnung neuer Mitarbeiter ist aufwendiger geworden und dauert länger. Darüber klagen sächsische Unternehmen, die Spezialisten suchen. Die Universität wird dennoch internationaler. Jeder fünfte Studienanfänger kam in diesem Jahr aus dem Ausland, vorrangig aus China. 2014 lag der Anteil bei 12,6 Prozent. Auch bei den ausländischen Beschäftigten gab es bis Ende 2016 einen stetigen leichten Anstieg auf insgesamt 778, ein Anteil von reichlich zehn Prozent an allen Mitarbeitern. Die Zahlen für 2017 liegen noch nicht vor.

Auch wenn der befürchtete Knick nach 2014 ausgeblieben ist, sei im Wettbewerb um die besten Köpfe „die politische Situation in Deutschland und insbesondere in Sachsen zweifellos ein Wettbewerbsnachteil“, so Müller-Steinhagen. Um diesen auszugleichen, bemüht sich die TUD über ausländische Botschafter und internationale Absolventen, im Ausland für den Dresdner Hochschulstandort zu werben. „Inzwischen haben wir von der Politik auf Bundes- wie auf Landesebene auch viel Unterstützung erfahren, was den Umgang mit Pegida angeht“, sagt der Universitätsleiter. Er hätte sich allerdings von der Landesregierung gewünscht, „dass sich manche Politiker viel früher und stärker für Weltoffenheit und gegen Ausländerfeindlichkeit positioniert hätten.“ Vom neuen Ministerpräsidenten erwartet Müller-Steinhagen „eine konkrete und deutliche Aussage, die Internationalisierung nicht als Bedrohung, sondern als Chance sieht.“

Um die Haltung gegenüber Fremden in Sachsen zu verändern, findet die TU Dresden Partner in der sächsischen Wirtschaft. So will der weltbekannte Uhrenhersteller Nomos nach eigenen Angaben ein gemeinsames Seminarprogramm mit der Universität auflegen. Das Glashütter Unternehmen positionierte sich nach der Bundestagswahl in einem offenen Brief deutlich gegen die AfD. „Wir werden helfen, das Terrain für Freiheit und Demokratie zurückzugewinnen“, heißt es in dem Schreiben an Kunden und Freunde. „Wir verkaufen unsere Uhren nicht vorrangig an Sachsen in Sachsen, sondern an Menschen in und aus aller Welt. Also müssen und wollen wir als Nomos Glashütte Stellung beziehen“, so Firmengründer Roland Schwertner.