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Tödlicher Rockerkrieg

Im Leipziger Osten eskaliert die Gewalt erneut, diesmal zwischen Hells Angels und ihrer Rocker-Konkurrenz. Das kostet einem Menschen das Leben.

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© dpa

Sven Heitkamp

Dönerimbisse, Cafés, Restaurants und Läden aus vielen Kulturen liegen hier direkt nebeneinander. Zugleich gilt die Leipziger Eisenbahnstraße als Drogenhochburg. Manchmal knallt es: Zwischen Dealern, zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft und zwischen Banden brechen am helllichten Tag auf offener Straße gewalttätige Konflikte aus. Dann wird die Eisenbahnstraße zum Schauplatz von Messerstechereien und Massenschlägereien.

Am Wochenende gab es nun sogar einen Toten in einem neuen Rockerkrieg. Ein junger Anhänger der United Tribunes kam bei einer Schießerei ums Leben – während die Polizei schon am Tatort war, um für Ruhe zu sorgen. Zwei weitere Männer wurden durch Bauchschüsse verletzt. Ein Mann, der als Vize der Gruppe gilt, schwebte am Sonntag noch in Lebensgefahr. Die tödlichen Schüsse auf die Rivalen soll ein 30-Jähriger, der den Hells Angels zugerechnet wird, abgefeuert haben. Am Sonntagabend erließ der Ermittlungsrichter Haftbefehl wegen des dringenden Tatverdachts des Mordes. 13 weitere Hells Angels wurden zunächst in Gewahrsam genommen, später aber wieder auf freien Fuß gesetzt.

Samstagnachmittag gegen 15 Uhr hatte ein Beobachter die Polizei alarmiert. Bis zu 20 Anhänger der Hells Angels würden sich auf dem Freisitz eines Bistros aufhalten, das laut Medienberichten der verfeindeten Straßengang United Tribunes zuzurechnen ist. Die Polizei sei hingefahren und habe die Männer aus dem Rockermilieu als Gefährder angesprochen, um eine Eskalation zu vermeiden, hieß es. Mehrere Funkwagen hielten sich zusätzlich im Hintergrund. Dann jedoch seien Anhänger der United Tribunes aufgetaucht. „Es kam zur Auseinandersetzung, es wurde geschossen. Das ging alles sehr schnell“, sagt der Polizeisprecher.

Die jüngsten Einsätze der Polizei im Leipziger Osten

Immer wieder muss die Polizei zu Großeinsätzen im Leipziger Osten ausrücken. Schwerpunkt dabei ist die Eisenbahnstraße in der Nähe des Hauptbahnhofes. Hier einige Beispiele:

10. Juni 2016: 200 Beamte beenden eine Schlägerei von mehr als 30 Menschen. Auslöser ist der Überfall auf einen Mann, der von mehreren Unbekannten geschlagen wird.

13. Mai 2016: Bei einer Razzia findet die Polizei Drogen, Diebesgut und verbotene Waffen. Ein 29-Jähriger, der seit langem mit Haftbefehl gesucht wird, wird gefasst. 50 Beamte sind im Einsatz.

15. November 2015: Es gibt mehrere Razzien in Gaststätten, Spielhallen und Wohnungen. Gegen zwei Männer ergeht Haftbefehl. Drogen im Verkaufswert von 350 000 Euro werden beschlagnahmt.

24. Mai 2015: Es kommt zu einer Massenschlägerei vor einer Bar. 40 bis 50 Menschen sind darin verwickelt. (dpa)

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Drei Männer der United Tribunes wurden bei den Schüssen schwer verletzt und kamen ins Krankenhaus, einer von ihnen starb bald darauf in der Klinik. Die Beamten hätten aber keine Schüsse abgegeben, sagte der Polizeisprecher weiter. Stattdessen rückte ein Großaufgebot aller verfügbaren Einsatzkräfte teils schwer bewaffnet an, brachte die Lage unter Kontrolle und setzte die Hells Angels fest. Die Männer lagen gefesselt auf der Straße und wurden mit Maschinenpistolen bewacht. Die Polizei blieb das ganze Wochenende mit einer starken Präsenz im Viertel, um Racheaktionen zu verhindern und Spuren zu sichern.

Die United Tribunes gelten als relativ neue Rockergruppierung mit internationaler Herkunft, die massiv versucht, Einfluss zu gewinnen. Die Eisenbahnstraße gehört offenbar zu ihrem Machtbereich. Die Vereinigung wurde 2004 vom ehemaligen bosnischen Bürgerkriegsflüchtling Almir Culum, genannt „Boki“, in Baden-Württemberg gegründet. Inzwischen expandiert der Rockerclub auch in andere Bundesländer wie Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen sowie ins Ausland. Erst im Mai hieß es, die Gang habe nun auch Sachsen erreicht und einen Club an der Leipziger Eisenbahnstraße eröffnet, der Ableger nenne sich Iron City. Der bayrische Verfassungsschutz warnte mit Blick auf die Gruppe vor einem „erheblichen Konfliktpotenzial in der Rockerszene“, weil sich Konflikte verschärfen könnten, wenn Gebietsansprüche und Vormachtstellungen etablierter Rockerclubs angegriffen würden.