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Totenkopf - oder eher Brustwarze?

Ein neuer Aussichtsturm in der Böhmischen Schweiz weckt starke Assoziationen – die Macher sind verwundert, aber erfreut.

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© Petr Spanek:

Von Steffen Neumann

Totenkopf? Gasmaske?“ Dorfbewohner Antonin Votapek schüttelt nur verständnislos den Kopf. „Ufo habe ich schon gehört. Aber das wäre mir beim besten Willen nicht eingefallen“, sagt er zu den Spitznamen, die deutsche Medien dem neuen Aussichtsturm in der Böhmischen Schweiz vor seiner Haustür gegeben haben. „Das ist eine sehr scharfe Assoziationskette. Wir Tschechen sind da wohl anders veranlagt, eher sexistischer“, sagt er mit verschmitztem Lächeln. Denn bei ihnen heißt der Turm bei Ruzova (Rosendorf) im Volksmund schon lange „Brustwarze“, und das nicht nur unter Männern. „Der Pastevni vrch (Hutberg), auf dem er steht, hat die Form einer vollendeten weiblichen Brust“, schiebt Votapek zur Erklärung hinterher.

Für Votapek, der selbst in Ruzova wohnt, ist der Turm eine Bereicherung. „Ich war von Anfang an für diese Variante“, sagt er, wohl wissend um die Gegenmeinungen. So hört man immer wieder Kritik am Beton, aus dem der Turm gebaut wurde. Doch den hält Votapek gerade für eine sehr gute Wahl. „Wäre der Turm aus Metall, wäre er für mich immer noch der Funkturm“, sagt er in Anspielung auf jene Türme, die zugleich Funktürme für Mobiltelefone oder Satellitenempfang sind.

Unbestritten gelungen findet er aber die Form, nicht nur, weil sie ihn an eine Brustwarze erinnert. „Eine eckige Form hätte nicht zu dem Berg gepasst. Das Runde ist dagegen natürlich und passt perfekt in die Umgebung. Die Natur kennt keine eckigen Formen“, verhehlt er nicht seine Begeisterung.

Dabei hatte ausgerechnet das Landschaftsschutzgebiet „Elbsandsteingebirge“ den Turmbau lange verhindert. „Fast 20 Jahre habe ich um ihn gekämpft“, sagt Bürgermeisterin Helena Krizkova. Einer ihrer Gegner war Petr Bauer von der Schutzgebietsverwaltung in Decin (Tetschen): „Der 402 Meter hohe Pastevní vrch ist unbewaldet und ermöglicht einen aussichtsreichen Rundblick“, sagt er und ergänzt sichtlich verärgert: „Der Rundblick wird nun durch dieses ‚Beton-Monstrum‘ gestört.“

Krizkova sieht den Turm, der auf Druck aus dem Landschaftsschutzgebiet nur noch etwas über sechs Meter misst und nicht 13, wie ursprünglich geplant, als Ersatz für den früheren Turm auf dem dominanten Hausberg Ruzova hora (Rosenberg). „Auch auf dem Pastevní vrch standen einst Gebäude. Es ist nicht so, dass wir da etwas Neues machen“, verteidigt Krizkova den Standort.

Verteidigungslinie im Grenzgebiet

Im Dorf sei der Turm inzwischen nicht mehr umstritten. „Von 160, die sich an einer Umfrage beteiligten, äußerten sich nur noch zwei negativ“, sagt sie. Das bestätigt Antonin Votapek: „Ich kenne einige, die ihre Meinung geändert haben.“

Negativmeinungen sind für die Architekten vom Büro „Mjölk“ aus Liberec (Reichenberg) hingegen die höchste Anerkennung. „Wenn es allen gefällt, haben wir etwas falsch gemacht“, sagt Jan Vondrak. Das Büro ist Spezialist für atypische Formen. Vor Jahren wurde nach ihren Entwürfen ein Aussichtsturm in Hermanice im deutsch-tschechisch-polnischen Dreiländereck gebaut. Dass der Turm, der offiziell „Gurke“ hieß, jeden an einen Penis erinnerte, schafften sogar Deutsche zu assoziieren. Ein Grund, warum der Turm bei Ruzova so aussieht und aus Beton ist, war dagegen die Verteidigungslinie aus kleinen Bunkern, die die Tschechoslowakei in den 1930er-Jahren aus Angst vor einem drohenden Überfall durch Hitler-Deutschland im Grenzgebiet erbauen ließ.

Assoziationen bleiben jedem selbst überlassen, meint Bürgermeisterin Krizkova. „Am besten jeder kommt und macht sich ein eigenes Bild von dem Turm.“ Der wurde übrigens auch aus deutschen Spenden erbaut.

Einige ihrer Namen stehen an der Innenwand des Turmes. Außen wären sie bald nicht mehr zu sehen, denn dort sollen in den kommenden Jahren Pflanzen emporranken. Dann wird der Turm womöglich ganz eins mit der Natur.