Merken

„Taucht der Wolf im Dorf auf, wird er geschossen“

Gunther Zschommler vom Landesbauernverband fordert klare Regeln für den Umgang mit Wölfen in Deutschland.

Teilen
Folgen
© Wolfgang Wittchen

Von Irmela Hennig

Herr Zschommler, Sie haben Ihren Betrieb in Großschirma bei Freiberg. Bis jetzt kein Wolfsgebiet. Haben Sie schon mal einen gesehen?

Bis jetzt nicht. Der Wolf ist durchgezogen durch die Region Freiberg. Es wurden Losungen (Kot) gefunden, und es gibt Bilder von Wildkameras. Für uns ist die Schwierigkeit, dass wir beweisen müssen, dass der Wolf da ist oder da war.

Meinen Sie das mit Blick auf Nutztiere, die gerissen werden?

Ja, aber das ist schwierig. Wenn der Wolf gefressen hat, bleiben Reste liegen. Da geht vielleicht der Fuchs ran, danach der Kolkrabe. Das verändert die Spuren, und dann wird eventuell nur das letzte Tier, das gefressen hat, nachgewiesen. Genauso müssen wir beweisen, dass ein Wolf der Verursacher war für den Ausbruch von Tieren von einer Weide. Selbst mit Kameras können wir aber nicht alles überwachen.

Wie stehen die Landwirte zum Wolf?

Das Meinungsbild in Sachsen hat sich in den letzten Jahren in negativer Richtung gewandelt. Und das selbst in Regionen, wo es wenig Tierhaltung gibt. Wir haben zunehmend ein Akzeptanzproblem. Das liegt am politischen Umgang mit dem Tier.

Wie meinen Sie das?

Es wird immer wieder argumentiert, der Wolf ist harmlos, er will nur spielen. Aber ich habe noch von keinem Wolf gehört, der Vegetarier wäre. Außerdem holt er sich die Beute, an die er am leichtesten rankommt. Dazu gehören auch Nutztiere. Außerdem müsste der Staat bei der Entschädigung und bei Präventionsmaßnahmen (Herdenschutz) großzügiger sein.

Konkret heißt das?

Das Handling, um Entschädigung bei Wolfsrissen zu bekommen ist kompliziert und dauert. Bislang muss ziemlich bis hundertprozentig sicher sein, dass der Wolf der Verursacher war oder mindestens nicht ausgeschlossen werden kann. Wir fordern, dass entschädigt wird, auch wenn es keinen sicheren Nachweis gibt. Bei der Förderung von Herdenschutzzäunen bleiben kleinere Unternehmen auf der Mehrwertsteuer sitzen. Die wird bislang nicht übernommen. Für große Betriebe ist das ein Durchlaufposten, für kleine geht das ins Geld. Man muss dabei auch im Blick haben, dass gerade Schäfer oft finanziell mit dem Rücken zur Wand stehen. Das Ganze ist auch eine gesamtgesellschaftliche Frage.

Nämlich welche?

Was wollen wir – nur den Wolf, oder auch die Beweidung und Bewirtschaftung von Flächen durch Schafe. Natürlich können wir auf Schafe verzichten und nur noch motorbetrieben mähen. Aber da fragt man sich doch, wie umweltverträglich ist das noch? Schafe sind multifunktionell. Sie verdichten den Boden, sie halten Flächen wie die wertvollen Heidegebiete offen. Es geht außerdem auch um Artenschutz. Der sollte für alle Arten gelten. Warum aber wird das Muffelwild dem Wolf geopfert? Entweder alles oder nichts.

Manche argumentieren, das Muffelwild ist nicht heimisch in Sachsen und wurde erst im 19. Jahrhundert angesiedelt.

Das stimmt. Aber wer so argumentiert, dem sage ich, in den letzten 100 Jahren hatten wir hier auch keinen Wolf. Den brauchen wir hier auch nicht.

Trotzdem fordert der Bauernverband im Offenen Brief nicht die Ausrottung der Wölfe in Sachsen und Deutschland?

Nein, das fordern wir nicht. Wir nennen auch keine Zahlen, wie viele Wölfe es in Sachsen und Deutschland maximal geben sollte. Wir denken aber, dass es inzwischen deutlich mehr sind als gut ist. Man könnte das Thema so handhaben wie beim Rotwild. Dafür gibt es Einstandsgebiete, in denen sich die Tiere viel aufhalten. Dort dürfen sie unter Beachtung der Gesamtpopulation im Rahmen eines mehrjährigen Abschussplanes gejagt werden. Verlassen sie die Gebiete, dürfen sie geschossen werden. Das könnte man für den Wolf ähnlich angehen. In Naturschutzgebieten, auf Truppenübungsplätzen oder auch in Staatsforsten kann er leben und bleiben. Taucht er beispielsweise in einem Dorf auf, wird er geschossen.

Denken Sie, Sie finden Gehör in Berlin?

Politik ist eine träge Masse. Aber der Koalitionsvertrag ist mit Blick auf die Landwirtschaft schon ganz vernünftig geschrieben. In den letzten vier Jahren hatten wir aber das Problem, dass das SPD-geführte Umweltministerium indirekt auch Landwirtschaftspolitik gemacht hat. Wir müssen sehen, wie sich das entwickelt. Mit Blick auf die wahrscheinliche Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner sind wir zuversichtlich.

Momentan ist viel von Wildschweinen die Rede. Sind die nicht ein größeres Problem für die Landwirte als der Wolf?

Da gibt es einen Zusammenhang. Es ist festzustellen, dass sich das Schwarzwild in Gebieten, wo der Wolf jagt, zu größeren Familienverbänden zusammenschließt, um sich besser zu wehren. Wenn aber 100 Wildschweine auf einen Acker laufen, dann muss der Landwirt das Feld neu bestellen. Der fordert dann Schadenersatz beim Jagdpächter, der den Bestand an Schwarzwild ja regulieren soll. Doch der kann so hohe Summen oft gar nicht zahlen. Also muss die Jagdgenossenschaft haften, und wenn die nicht zahlen kann, ist im Ernstfall sogar eine Umlage von den Grundeigentümern zu erheben. Dies ist allerdings nicht ,vergnügungssteuerpflichtig‘ und führt zwangsläufig dazu, dass dies an die jeweilige Stadt oder Gemeinde im Rahmen des Notvorstandes abgegeben wird. Das hat nur niemand im Blick. Unser Eindruck ist ohnehin, der Wolf ist ein Problem des ländlichen Raumes. Die Zustimmung zu dem Tier wächst mit jedem Kilometer der Entfernung. In einer Großstadt wie Berlin sind die Menschen vom Wolf begeistert. Aber dort, wo er nachts durchs Dorf läuft, sieht es anders aus.

Haben Nutztierhalter aufgegeben, weil der Wolf bei ihnen gerissen hat?

Ja, das kommt vor. Genaue Zahlen haben wir nicht, denn es sind vor allem Nutztierhalter mit fünf bis 15 Tieren. Für die lohnt sich der Aufwand für den Herdenschutz nicht. Außerdem gibt es bei Haltern mit wenigen Tieren eine engere emotionale Bindung. Wenn die einmal ein zerfetztes Schaf auf der Wiese finden, wollen die das kein zweites Mal erleben.

Das Gespräch führte Irmela Hennig.