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Stunk um zwei Schafe

Anwohner und Spaziergänger sagen, die Tiere würden verwahrlosen. Der Halter sieht das ganz anders.

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© Sebastian Schultz

Von Stefan Lehmann

Riesa. Als er den Besuch entdeckt, begrüßt der Schafbock ihn mit aufgeregtem Blöken und drückt sich dann regelrecht gegen den Zaun. Angelika Eisner und Brigitte Stark tätscheln dem Tier mit der Hand den Kopf, den es durch den Zaun gesteckt hat. Das Schaf atmet schnell und schwer. „Ja, dir ist heiß, nicht wahr?“, fragt Brigitte Stark. Zur Antwort kommt ein zweites „Mäh“. Das zweite Schaf liegt weiter hinten auf dem umzäunten Grundstück an der Pausitzer Straße.

Brigitte Stark und Angelika Eisner machen sich schon seit Jahren Sorgen um die beiden Schafe auf der kleinen Weide. Der Besitzer kümmere sich einfach nicht um die Tiere, so ihr Vorwurf. „Seit drei Jahren sind sie nicht geschoren worden“, schimpft Brigitte Stark. Tatsächlich haben die beiden Schafe ein dickes, zotteliges Fell. Möglicherweise seien sie sogar krank, vermuten die beiden Frauen. „Das Grundstück verwildert total, die Schafe finden nicht mehr genug zu fressen.“ Die Kartoffel- und Apfelschalen am Zaun seien von ihnen. „Wenn wir die Tiere nicht füttern, macht es niemand.“

Anrufe beim Tierschutzverein

Stark und Eisner sind nicht die einzigen Riesaer, denen die beiden Schafe schon aufgefallen sind. „Bei mir haben sich schon jede Menge Leute gemeldet“, sagt Uwe Brestel. Anwohner, Spaziergänger oder Leute aus dem benachbarten Kleingarten – sie alle haben den Chef des Riesaer Tierschutzvereins schon einmal wegen der Schafe kontaktiert. „Seit drei bis vier Jahren ist uns das schon bekannt“, sagt Brestel. Sicherheitshalber habe er damals die Stadt informiert, die wiederum das Veterinäramt informiert habe. „Das Landratsamt kam mal schauen, aber da hatte das Tierheim eben gerade Futter vorbeigebracht“, sagt Brigitte Stark. Folglich habe es damals nichts zu beanstanden gegeben.

Der Halter kann den ganzen Trubel um seine Tiere nicht verstehen. „Es gibt wirklich Leute, die haben nichts Besseres zu tun. Die Tiere haben dort ihren Platz, an dem sie ihr Futter bekommen, sie haben ihren Stall, und auf der Wiese finden sie auch genug.“ Dass er die Brennnesseln auf dem Grundstück stehenlasse, habe auch einen einfachen Grund. „Der Bock hat chronischen Husten. Gegen den kann man auch nichts machen, sagt der Tierarzt.“ Die Brennnesseln, im Herbst geschlagen und getrocknet, sollen dem Tier über den Winter helfen, erklärt der Mann. Nur dass er die Schur versäumt habe, das müsse er sich wirklich vorwerfen lassen. Er habe es nicht geschafft, einen Termin dafür zu bekommen. „Kommende Woche ist es aber so weit“, sagt er und zeigt einen Bescheid des Landratsamtes.

Aus Meißen seien im Mai zwei Mitarbeiter da gewesen und hätten sonst nichts zu beanstanden gehabt. 100 Euro Strafe musste er trotzdem zahlen, wegen der verpassten Schur. Das Landratsamt selbst hat sich auf eine am Montag gestellte Anfrage zu dem Sachverhalt bislang nicht geäußert. Der Riesaer Schäfer Axel Weinhold jedenfalls erklärt, eine etwas zu späte Schur sei nicht gleich gesundheitsbedrohend für die Tiere. „Es ging ja vor einiger Zeit mal ein Schaf durch die Medien, das jahrelang nicht geschoren wurde. Das ist auch nicht gestorben.“ Mehr als 40 Kilogramm Wolle hatte das verwilderte Tier am Leib getragen. Sinn macht es laut Weinhold aber trotzdem, die Tiere in der warmen Jahreshälfte zu schären. Schließlich sei die Wolle angezüchtet, während viele wilde Tiere zwischen Sommer- und Winterfell wechseln.

Der Schafhalter jedenfalls hat eine klare Meinung zu der Sache. Bei manchen Leuten sei die Tierliebe schon etwas zu groß, sagt er. Vor allem das Füttern über den Zaun sei ein Problem. „Die Schafe sind nicht dumm, die erkennen nach zwei Mal, wer sie füttert. Klar, dass die dann blöken.“ Das hieße nicht, dass sie am Verhungern seien. Ein Schaf sei ihm vor einigen Jahren sogar schon zu Tode gefüttert worden, berichtet der Riesaer. „Da hatte jemand aus der Grünen Tonne Grünschnitt über den Zaun geworfen.“ Die Zypressenblätter hätten das Tier vergiftet. Auch sonst lande allerlei „Futter“ auf der Schafwiese, das dort nicht hingehöre – vom verschimmelten Brot bis zu Süßigkeiten. Wenn die Leute sich vergewissern wollten, dass es den Schafen gut geht, dann könnten sie ihn ja auch persönlich fragen, sagt der Schafhalter. „Aber zu mir kommt ja keiner.“