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Stress hinter Gittern

Jahrelang hat der Freistaat beim Gefängnispersonal gekürzt – mit drastischen Folgen auch in der JVA Bautzen.

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© Uwe Soeder

Von Sebastian Kositz

Bautzen. Die großen, schweren Schlüssel sind für den Stationsbediensteten Düsterdick treue Begleiter. Acht Stunden täglich, mitunter auch länger, baumeln sie am Hosenbund. In einer nach außen hin verschlossenen Welt öffnet der junge Mann Türen. Ein Job, an dem im Bautzener Gefängnis eine große Verantwortung hängt. Und vor allem jede Menge Arbeit. Denn die Stationsbediensteten öffnen und schließen nicht nur Türen. Während ihrer Schicht haben sie das alleinige Kommando über die Station – und damit über bis zu 30 Gefangene.

Wie alle Gefängnisse in Sachsen ist die JVA in Bautzen derzeit voll belegt. Düsterdick arbeitet auf der Station, wo zunächst die Neuzugänge unterkommen. Der Bedienstete muss vieles erklären, entscheiden, wer mit wem auf eine Zelle kommt und zwischendurch dafür sorgen, dass die Gefangenen ihre Mahlzeiten erhalten. Und er muss die Neuen besonders im Auge haben, auf Auffälligkeiten achten: Drogensucht, Suizidgedanken. Düsterdick und seinen Kollegen dürfen keine Fehler machen. „Es ist oft hektisch. Es gibt Tage, da quasselt man den ganzen Tag und ist danach nur noch platt“, sagt der junge Beamte. Einfach nach Hause fahren, abschalten – das fällt dem Familienvater dann oft schwer.

So wie Düsterdick geht es vielen Kollegen in Bautzen und in den anderen sächsischen Gefängnissen. Das Problem sind dabei nicht allein die vollen Zellen. Denn in Sachsens Justizvollzugsanstalten mangelt es schlichtweg an Personal. Jahrelang wurde gekürzt und gespart, die Zahl der Mitarbeiter kräftig abgespeckt. Mit den entsprechenden Folgen. Das zuständige Justizministerium in Dresden räumt die Probleme längst offen ein, benennt die Personalsituation in den Gefängnissen als „angespannt“.

Psychischer Stress und psychosomatische Probleme

Was das genau bedeutet, das spüren Düsterdick und seine Kollegen beinah täglich. Beim Personalrat in Bautzen verweisen die Verantwortlichen auf die hohen Belastungen und die damit verbundenen Auswirkungen. Von psychischem Stress und psychosomatischen Problemen ist die Rede, der Schichtdienst tut das übrige. Gerade ältere Kollegen würden die Belastungen nicht mehr so gut wegstecken. Im vergangenen Jahr brachte es ein Mitarbeiter in Bautzen laut Ministerium im Schnitt auf 25 Krankheitstage. „Man greift dann auf die Leute zurück, bei denen man weiß, die halten zur Stange“, sagt Anstaltsleiter Bernhard Beckmann. Dass es auf Dauer aber nicht so weitergehen kann, zeigt die Statistik. Mehr als 7 000 Überstunden haben die insgesamt etwa 200 Mitarbeiter der Bautzener JVA inzwischen angehäuft.

Immerhin haben die Verantwortlichen in Dresden bereits reagiert. Der Personalabbau wurde gestoppt. Die Zahl der Ausbildungsplätze hat sich für ganz Sachsen von 20 auf 60 verdreifacht. Zum Jahresbeginn wurden zudem einige Dutzend Mitarbeiter quasi als eine Art Quereinsteiger befristet eingestellt – etliche davon auch für Bautzen. Ab September, so sagt Ministeriumssprecher Jörg Herold, erhält die JVA an der Spree fünf weitere zusätzliche Stellen.

Probleme mit Aufschlusszeiten

Hinter den hohen Wänden in Bautzen wird das durchaus dankbar wahrgenommen. „Das hat uns geholfen. Ohne die neuen Mitarbeiter hätten wir vieles nicht mehr durchführen können“, sagt Bernhard Beckmann, der auf Nachfrage konkret wird: „Wenn die Leute fehlen, bleiben tagsüber auf den Stationen die Türen zu und die Insassen die ganze Zeit in ihrer Zelle. Und die sind davon nicht begeistert.“ Auch viele Freizeitangebote wären betroffen. In Bautzen legen die Verantwortlichen sehr viel Wert auf die Aufschlusszeiten, die es den Insassen ermöglichen, sich auf der Station frei zu bewegen. An einigen Tage hätte man darauf tatsächlich bereits verzichten müssen, räumt Bernhard Beckmann ein.

Zwei Jahre dauert die Ausbildung eines Justizvollzugsbeamten. Eine nachhaltige Besserung der Zustände wird somit nicht vor 2019 eintreten. Sächsische Landespolitiker warnen indes sogar vor neuen Herausforderungen. Sie fürchten, dass mit der geplanten Inbetriebnahme des Gefängnisses in Zwickau weitere Lücken in die Personalplanung gerissen werden. Der justizpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Harald Baumann-Hasske, der sich vehement für die Aufstockung des Personals eingesetzt hat, fordert deshalb eine gründliche Analyse und noch mehr Geld für Personal und die Ausbildung. Anhaltenden Handlungsbedarf sieht auch der Bautzener CDU-Landtagsabgeordnete Marko Schiemann. Die jahrelange Sparpolitik der eigenen Regierung nennt er einen Fehler.