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Staatsanwalt massiv bedroht

Der Staatsanwalt im Prozess um den gefesselten Flüchtling von Arnsdorf ist offenbar bedroht worden. Er wurde verfolgt, beschimpft und mit dem Tod bedroht. Der Prozess endete überraschend schnell.

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© Thorsten Eckert

Dresden. Kurz vor Beginn des Prozesses vor dem Kamenzer Amtsgericht gegen Mitglieder der Arnsdorfer „Bürgerwehr“ ist der zuständige Staatsanwalt offenbar massiv bedroht worden. Nach MDR-Recherchen wurde er wenige Tage vor dem Gerichtsprozess am vergangenen Montag von einer Gruppe unbekannter Männer abends auf dem Heimweg verfolgt, beleidigt und bedroht. Zudem soll es auch eine schriftliche Morddrohung gegen den Juristen gegeben haben, wenn er zum Prozess vor dem Kamenzer Amtsgericht erscheine.

In dem Verfahren ging es um eine „Bürgerwehr“, die einen 21-jährigen Flüchtling aus dem Irak im Mai 2016 nach einem Zwischenfall in einem Netto-Einkaufsmarkt in Arnsdorf mit Kabelbindern an einen Baum gefesselt hatte. Das Verfahren wurde am Montag, am ersten Verhandlungstag, „wegen Geringfügigkeit“ eingestellt. Die Staatsanwaltschaft hatte den Männern im Alter von 29 bis 56 Jahren Freiheitsberaubung vorgeworfen. Sie hatten den psychisch kranken 21 Jahre alten Flüchtling im Mai 2016 gewaltsam aus dem Supermarkt gezerrt und mit Kabelbindern fixiert.

Auf SZ-Nachfrage bestätigte das Innenministerium lediglich, dass es „eine Bedrohungslage gegen Prozessbeteiligte“ gebe. Um wen es dabei geht, wollte die Behörde aber nicht sagen. Das „Operative Abwehrzentrum“ (OAZ) habe die strafrechtlichen Ermittlungen in diesem Fall übernommen, hieß es. Im Interesse der Sicherheit der betroffenen Person werde es keine weiteren Auskünfte dazu geben.

„Bedrohungen und Angriffe auf Bedienstete des Staates sind in jeder Form inakzeptabel“, sagte Justizminister Sebastian Gemkow. Sie bedrohten die Grundlagen unseres Rechtsstaates, der auf der Akzeptanz der staatlichen Ordnung beruhe. Der Staat werde sein Gewaltmonopol verteidigen, so Gemkow. „Jedem, der es infrage stellt, muss klar sein, dass er keine Nachsicht zu erwarten hat.“

Der rechtspolitische Sprecher der Linksfraktion im Landtag, Klaus Bartl, sprach indes von einer fatalen Signalwirkung der Gerichtsentscheidung, das Strafverfahren einzustellen. „Diese Verfahrenseinstellung ohne Tataufklärung erteilt de facto dem im Raum stehenden Vorgehen der Selbstjustiz einen Freibrief“, erklärte Bartl. Die nun bekanntgewordene Bedrohung des Staatsanwalts, ohne dessen Zustimmung ein Ende des Prozesses gesetzlich unmöglich gewesen wäre, nährt umso mehr den Eindruck, dass der Rechtsstaat vor dem Wutbürgertum kapituliert hat.“ Die Linke will die Angelegenheit nun im Landtag zur Sprache bringen.

Der Iraker befand sich in psychiatrischer Behandlung. Er war vor Kurzem tot in einem Wald bei Dresden gefunden worden. Laut Obduktion starb er wohl schon im Januar an Unterkühlung. (SZ/dpa)