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Spaziergang im See

Weil das Wasser derzeit sehr niedrig ist, kommen im Quitzdorfer Stausee Dinge zum Vorschein, die zum Teil jahrzehntelang verborgen waren.

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© Bernhard Donke

Von Bernhard Donke

Eine Taucherausrüstung ist nicht notwendig. Und dennoch kann derzeit erkundet werden, was sonst vom Wasser des Quitzdorfer Stausees verborgen wird. Das gibt Gelegenheit für einen spannenden Spaziergang zum früheren Ort Quitzdorf. Der hat sich einst dort befunden, wo heute das Wasser von der Talsperrenverwaltung des Freistaates Sachsen gestaut wird. Und der Ort hat dem See und der Gemeinde, in der das Gewässer liegt, seinen Namen gegeben. „Ein Spaziergang durch den Stausee ist möglich, weil wir ein niederschlagsarmes Jahr hatten“, erklärt Reinhard Diekmann. „Dadurch ist der Wasserstand sehr niedrig.“

Gut an den Baumstümpfen zu erkennen ist die ehemalige Lindenallee. Diese hat früher von Quitzdorf nach Reichendorf geführt.
Gut an den Baumstümpfen zu erkennen ist die ehemalige Lindenallee. Diese hat früher von Quitzdorf nach Reichendorf geführt. © Bernhard Donke
Diese Mauerreste zeugen auch fast fünfzig Jahre nach dem Ende des Dorfes noch immer vom Wohnhaus der Familie Wilhelm Höhne.
Diese Mauerreste zeugen auch fast fünfzig Jahre nach dem Ende des Dorfes noch immer vom Wohnhaus der Familie Wilhelm Höhne. © Bernhard Donke
Reinhard Diekmann zeigt eine Karte des früheren Ortes Quitzdorf. Der ist 1969 abgerissen worden, um Platz für den Stausee zu schaffen.
Reinhard Diekmann zeigt eine Karte des früheren Ortes Quitzdorf. Der ist 1969 abgerissen worden, um Platz für den Stausee zu schaffen. © Bernhard Donke
Im ehemaligen Gutshaus des Dominiums hat bis zum Abriss Familie Emil Porysiak gewohnt
Im ehemaligen Gutshaus des Dominiums hat bis zum Abriss Familie Emil Porysiak gewohnt © privat
Die Quitzdorfer Waldschänke ist bis zum Ende des Dorfes ein beliebtes Ausflugsziel der Region gewesen.
Die Quitzdorfer Waldschänke ist bis zum Ende des Dorfes ein beliebtes Ausflugsziel der Region gewesen. © privat

Der Nieskyer Rentner und Wanderfreund hat in Quitzdorf seine Kindheit und Jugend erlebt. Die Jahre 1955 bis 1969 verbringt er dort. Dann muss das Dorf dem Stausee weichen. Obwohl er in Niesky eine neue Heimat gefunden hat, zieht es den 63-jährigen Bauingenieur immer wieder an den nahe gelegenen Stausee. Vor allem zieht es ihn zu der Stelle, wo 1973 sein Heimatdorf in den Fluten verschwunden ist. Einmal hat das Wasser bisher derart niedrig gestanden, dass Reinhard Diekmann das Dorf betreten und dessen Überreste erkunden konnte.

Fußspuren zeugen von Neugierigen

Nun bietet sich erneut die Gelegenheit. Bereits vom Ufer des Säubergs aus können mit bloßem Auge die Grundrisse alter Gebäude ausgemacht werden. Ebenso sind die am Boden liegenden Reste der ehemaligen Wirtschaftsgebäude des Gutshofs gut zu sehen. Unten im See zeigt sich anhand zahlreicher Fußspuren im feuchten Grund, dass auch andere bereits neugierig auf die sonst verborgenen Relikte gewesen sind. Vom Säuberg geht der Spaziergang zum früheren Quitzdorf. Fast 150 Menschen haben dort einst gelebt.

Der Weg zum Dorf führt auf einem Teil der früheren Diehsaer Straße. Deren Verlauf ist gut am kargen Bewuchs zu erkennen. Ein Stück weiter geht es auf der einstigen Lindenallee, die früher von Quitzdorf nach Reichendorf führte. Das musste 1981 dem Speicherbau für den Stausee Quitzdorf weichen. An der höchsten Erhebung von Quitzdorf hat sich früher eine kleine Sandgrube befunden. Hier haben die Einwohner immer das Hexenbrennen veranstaltet, erzählt Reinhard Diekmann. Heute ist die Stelle dicht bewaldet und wird als Vogelinsel bezeichnet. Rund herum lassen sich verschiedene Relikte finden – eine alte Flasche ist darunter sowie eine total verrostete Elektroverteilerdose und ein Stahlseil. Das ist vielleicht von den Abrissarbeiten an den Gebäuden zurück gelassen worden. Auch ein Teil von der Steueranlage eines Ruderbootes aus heutiger Zeit findet sich am Wegesrand.

Diorama vom alten Quitzdorf

Schließlich zeigen sich die ersten Spuren des Dorfes an sich – freigespülte Findlinge und viele Grenzsteine, welche einst die Grundstücksgrenzen markiert haben. An viele durch Steinhaufen gekennzeichnete Stellen am Wegesrand kann sich Reinhard Diekmann noch gut erinnern. Welche Familie hier einmal ihr Grundstück und ihr Wohnhaus besessen hat, kann er bis heute zuordnen. Die Grundrisse der Grundstücke von den Familien Wilhelm Wehlte und Helmut Moser sind noch immer sehr gut zu erkennen. Ebenso ist es beim Grundriss des ehemaligen Gutshauses, das zum Dominium Quitzdorf gehört hat, und dessen Wirtschaftsgebäude. Auf dem Rückweg erzählt Reinhard Diekmann viele Episoden aus seiner Zeit in Quitzdorf. Mit seinem Vater, einem Bauingenieur, seiner Mutter und seiner Schwester habe er dort eine schöne und unbeschwerte Kindheit und Jugend verbracht.

Wenn auch der größte Teil der einst 35 Wohnhäuser und Wirtschaftsgebäude von Quitzdorf verschwunden ist, zeugen die verbliebenen Reste von einem Dorf, in dem ein reges Leben unter den rund 150 Einwohnern bis zu ihrem Auszug im Jahre 1969 geherrscht hat. Wer sich auch einmal auf den Weg in den Ort Quitzdorf machen möchte, sollte sich beeilen. Denn mit dem nächsten Regen können die Wege dahin bereits wieder unter Wasser stehen. Reinhard Diekmann bastelt unterdessen an einem Diorama von Quitzdorf.