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Was die Schule nicht leisten kann

Ihre Offenbarung war ein Paukenschlag. Die Söhne von Familie Kleinert aus Priestewitz gehen nicht zur Schule. Die Freilerner werden Zuhause unterrichtet. Die Reaktionen waren vielfältig.

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© Klaus-Dieter Brühl

Von Catharina Karlshaus

Landkreis. Ihre Offenbarung glich einem Paukenschlag. Erstmals verkündete Noreen Kleinert, was sie seit ein paar Jahren schon längst tut: Die 35 Jahre alte Priestewitzerin, die zunächst Mathematik und Physik im Lehramt studierte und bis zur Geburt ihrer drei Kinder als Zahntechnikerin gearbeitet hat, unterrichtet ihre Söhne Zuhause. Der zehn Jahre alte Paul und der siebenjährige Karl gehen nicht zur Schule. Sie sind „Freilerner“ und erwerben ihr Wissen nicht aus Lehrbüchern, sondern beschäftigen sich nach eigenem Bekunden ausschließlich mit jenen Dingen, die sie wirklich interessieren.

Allerdings: Der Umstand, dass die beiden aufgeweckten Jungen keine Schule besuchen, verstößt gegen das Gesetz. In Deutschland herrscht Schulpflicht. „Homeschooling“ wie in zahlreichen anderen Ländern erlaubt, ist hierzulande verboten. Wer seine Kinder von der regulären Schule abmeldet, muss mit Strafverfolgung, Bußgeldern und im schlimmsten Fall mit dem Entzug des Sorgerechts rechnen. Auch Noreen Kleinert hatte vor ein paar Monaten das erste Mal einen Bußgeldbescheid im Briefkasten. Umso mehr ein Grund, dass Freilerner nicht unbedingt mit ihrer Entscheidung hausieren gehen. „Aber wir müssen uns auch keineswegs verstecken für das, was wir tun. Unseren Kindern geht es rundum gut und ich wollte lediglich selbst die Verantwortung für ihre umfassende Bildung übernehmen.“

Eine Argumentation, mit der sich am Donnerstag in den sozialen Netzwerken vielfältig auseinandergesetzt wurde. In über einhundert Kommentaren aus ganz Deutschland wurden das Für und Wider debattiert. Während gefragt wurde, wie es in so einer Lebenssituation mit dem Erwerb sozialer Kompetenz im Umgang mit Gleichaltrigen ausschaue oder dem Umstand, sich im Zweifelsfall auch mal gegen Menschen zu behaupten, schienen andere Familie Kleinert zu verstehen. „Die Eltern und Schulen sind getrieben von Vergleichen und Leistung. Das ist ein großes Problem, weil man sich damit irgendetwas heranzüchtet, was halt funktioniert. Ich denke, dass man eben da ansetzen muss, um das Schulsystem mal umzukrempeln“, gibt Stephan K. zu bedenken.

Überhaupt beschäftigt das deutsche und sächsische Schulsystem die Leser. Und noch mehr, wie viele Lehrer ab Montag vor den Kindern in der Klasse unterrichten. „Sachsen tut wirklich alles dafür, eins der unattraktivsten Bundesländer für Lehrer – und sicherlich auch manche Schüler/Eltern – zu sein. Und damit meine ich nicht etwa das Gehalt. Verübeln kann man es so manchen Eltern also wirklich nicht, wenn sie sich anderweitig entscheiden“, schimpft Luisa B. Katrin B. erinnerte sich an ihre eigene Kindheit. Die wichtigsten Dinge habe sie im Elternhaus gelernt. Mit viel Geduld und Liebe seien ihr dort Sachen beigebracht worden, an denen sie in der Schule fast verzweifelt wäre. „Das Problem waren überforderte Lehrer, überfüllte Klassenräume mit zahlreichen verhaltensauffälligen Mitschülern. Während Birgit R. zu bedenken gab, dass Freilerner keine festen Strukturen kennenlernten und Martin S. fehlende Abschlüsse und deshalb eine Tätigkeit im Billiglohnsektor befürchtete, sieht Sammy Z. die Selbstverantwortung als Chance. „Das Schulsystem ist eine an die Leistungsgesellschaft orientierte Maschinerie. Dieses System sollte generell überdacht werden“, heißt es.