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Sitzt der Kopf der Barbarine noch fest?

Die Felsnadel am Pfaffenstein ist für Kletterer eigentlich tabu. Am Mittwoch gab es eine Ausnahme – zum Schutz des Gipfels.

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© Mike Jäger

Von Mike Jäger

Königstein. Die Barbarine bei Pfaffendorf ist eines der Wahrzeichen des Elbsandsteingebirges. Der Sage nach handelt es sich um eine zu Stein verwandelte Jungfrau, von der Mutter verwünscht wegen Ungehorsamkeit. Tag für Tag bestaunen viele Touristen die imposante, schlanke Felssäule vom Plateau am Tafelberg Pfaffenstein aus. Doch am Mittwoch gab es mehr zu sehen: Leise Hammerschläge hallen an diesem goldenen Oktobertag hinüber zur Aussicht am Plateau. Zwei Bergsteiger werkeln, in Seilen hängend, an der 45 Meter hohen Felsnadel herum. Sie klopfen den Gipfelkopf ab und fotografieren. Ein älterer Wandersmann weiß Bescheid: „Die machen eine Wartung“, sagt er zu seiner Frau.

Geologe Peter Dommaschk (l.) und Rainer Reichstein von der Schutzgemeinschaft Sächsische Schweiz überwachen die Arbeiten.
Geologe Peter Dommaschk (l.) und Rainer Reichstein von der Schutzgemeinschaft Sächsische Schweiz überwachen die Arbeiten. © Mike Jäger

Erosion im Zeitraffer

Rainer Reichstein von der Schutzgemeinschaft Sächsische Schweiz, die Eigentümer des Pfaffensteinplateaus ist, klärt auf. Es handle sich um eine turnusmäßige Kontrollbesteigung der Barbarine. Ein seltenes Ereignis, denn schon seit 1975 darf an der steinernen Jungfrau nicht mehr geklettert werden. Das Verbot war notwendig geworden, weil der Kopf der Felsschönheit wackelte. Natürliche Verwitterung, Blitzeinschläge und Fehler bei früheren Reparaturen, aber auch Felsschäden durch die Kletterei, hatten der Barbarine zuvor arg zugesetzt. Seit der ersten Besteigung 1905 galt es als Muss für jeden sächsischen Bergsteiger, die Barbarine zu erklimmen. Dies brachte enorme Abnutzungserscheinungen mit sich. „Wir reparieren jetzt die Schäden, die damals angerichtet wurden“, sagt der Geologe Reichstein, früher selbst aktiver Kletterer.

Das Elbsandsteingebirge ist eine Erosionslandschaft, in der Verwitterungsprozesse im geologischen Zeitraffer ablaufen und die Landschaft prägen. „Die Barbarine ist eigentlich ein Naturdenkmal, aber wir behandeln sie als Baudenkmal“, sagt Reichstein. Denn hätte man der Natur ihren Lauf gelassen, hätte der Fels seine charakteristische Gestalt wohl längt verloren. Ab 1979 wurde gemörtelt und geklebt: Der Gipfelkopf wurde untermauert und bekam eine wasserabweisende Kappe aus Epoxydkunstharz. Der poröse Sandstein wurde mit einem chemischen Bindemittel behandelt und verfestigt.

Am Mittwoch überprüften die Bergsteiger Dieter Krebs aus Radebeul und Matthias Krell aus Dresden, ob sich seit der letzten Kontrolle vor drei Jahren Veränderungen am Gipfelkopf ergeben haben. Der Zustand der seit Jahrzehnten durchgeführten Sanierungsarbeiten soll dokumentiert werden.

Geringer Verschleiß

Der Geophysiker Daniel Flügge organisiert und leitet seit 2004 diese Arbeiten. Er ist Mitarbeiter der Klettertechnischen Abteilung im Sächsischen Bergsteigerbund, einer Arbeitsgruppe, die mit der Wartung der Sicherungseinrichtungen an den Kletterfelsen betraut ist. Flügge beantragte bei der Landesdirektion Sachsen eine Ausnahmegenehmigung zum Erklettern der Barbarine. Selbst für die Kontrollbegehung müssen die sächsischen Kletterregeln eingehalten werden. Das bedeutet unter anderem, dass der Fels trocken sein muss.

Die Seilschaft Krebs/Krell klettert und arbeitet routiniert in schwindelerregender Höhe. Das bestätigt Peter Dommaschk, Ingenieur-Geologe vom Freistaat Sachsen. „Bereits bei der Besteigung 2014 erarbeitete Dieter Krebs einen soliden Bericht, der eine sehr gute Grundlage darstellt“, lobt Dommaschk. Dieter Krebs berichtet nach dem Abseilen von der Situation am Gipfel: „Wir haben keine gravierenden Veränderungen festgestellt. Geringe Verschleißerscheinungen gibt es bei der Dichtfuge am Kappenrand.“ Ein ausführlicher Bericht folgt. Sein Kletterpartner Matthias Krell beschreibt sein Glück, den Gipfel der Barbarine erklettert zu haben: „Bereits als kleiner Steppke habe ich die Bergsteiger bewundert. Für mich ist ein Traum in Erfüllung gegangen.“