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Sieben Schoppen Wein können ganz schön gefährlich sein

Der Angeklagte setzt sich nach reichlichem Weingenuss mit 2,8 Promille ans Lenkrad und schrottet drei Autos. Doch ist er schuldunfähig?

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© Repro: Jürgen Müller

Von Jürgen Müller

Meißen. „Sieben Fässer Wein können doch nicht gefährlich sein“, schmetterte einst Schlagerbarde Roland Kaiser. Nun, sogar sieben Schoppen Wein können ganz schön gefährlich sein. Jedenfalls dann, wenn man sich nach dessen Genuss ans Lenkrad eines Autos setzt. So wie es der 56-jährige Radebeuler tat an jenem Sonntagabend im Juli vorigen Jahres. Über den Tag verteilt hat er wohl zwei, eher drei Flaschen Wein getrunken. Dann schnappt er sich abends den Zweischlüssel vom Fahrzeug des Sohnes und fährt mit dessen Nissan los. Auf der Jägerhofstraße in Radebeul passiert es dann. Der Mann kracht mit dem Auto gegen einen VW. In einer Art Dominoeffekt wird dieser gegen einen dahinterstehenden Seat geschoben, welcher gegen einen Toyota kracht. Laut Anklage entstehen so Schäden von insgesamt 9300 Euro. Dabei handelt es sich wohl um Schätzungen der Polizei. Die tatsächlichen Schäden sind offenbar viel höher. Zumindest der VW ist Schrott, sein Besitzer beziffert den Schaden auf 10 000 bis 12 000 Euro.

Bei dem Angeklagten wird knapp zwei Stunden nach der Tat ein Blutalkoholwert von 2,45 Promille gemessen. Zur Tatzeit dürften es etwa 2,8 Promille gewesen sein. Das hat ein Gutachter errechnet. Klingt viel, ist es für den Radebeuler aber nicht. Denn er ist Alkoholiker, ein sogenannter „Spiegeltrinker“, wie er selbst sagt. Viermal hat der 56-Jährige in den vergangenen zwei Jahren eine Entgiftung gemacht. Eine brach er nach vier Tagen ab, aber auch bei den anderen hielt der Erfolg nicht lange an. Ein, zwei Wochen später begann er wieder zu trinken.

Als Grund für seinen Alkoholismus nennte er einen Schicksalsschlag. Sein ältester Sohn ist schwerbehindert, lebt in einem Pflegeheim. „Ich bin darüber nicht hinweggekommen“, sagt er. Und betäubt sein Problem mit Alkohol. Auch beruflich hatte der Mann, der 1984 in die Bundesrepublik ausreiste, Pech. Einige Jahre arbeitet er bei einem großen Automobilhersteller in Baden-Württemberg. Nach einer Operation verlor er seinen Job. Seit 20 Jahren ist er arbeitslos, bezieht inzwischen wie seine Frau Arbeitslosengeld II. Seit 1999 lebt er wieder in Sachsen. Seinen Führerschein ist der ehemalige Berufskraftfahrer schon lange los. Er hat schon einmal einen Unfall unter Alkohol gebaut. In einem anderen Fall wurde er hilflos auf einem Fußweg aufgelesen. Sein Alkoholwert damals: 3,0 Promille. Diesmal macht er einen auf Schuldunfähigkeit. Er könne sich nur noch bruchstückhaft an den Tag erinnern, an den Unfall gar nicht mehr, will er dem Gericht weismachen. Ein Gutachter widerlegt das. Der stellt zwar alkoholbedingte Beeinträchtigungen fest, aber keinesfalls eine Schuldunfähigkeit fest. Ein „Filmriss“ sei nicht nachvollziehbar und medizinisch nicht erklärbar. Der Verteidiger sieht das anders, fordert wegen Schuldunfähigkeit einen Freispruch, während der Staatsanwalt eine hohe Geldstrafe fordert. Das Gericht jedoch verhängt wegen Gefährdung des Straßenverkehrs, Trunkenheit im Verkehr, unerlaubten Verlassen des Unfallortes und Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine Haftstrafe von fünf Monaten auf Bewährung. Als Auflage muss der Radebeuler eine stationäre Therapie antreten und auch erfolgreich beenden. Außerdem bekommt der 56-Jährige einen Bewährungshelfer zur Seite gestellt. Verstößt er gegen diese Auflagen, also bricht er zum Beispiel die Therapie ab, muss er die fünf Monate doch absitzen.