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Shakespeare witzelt auf dem Weinfest

Tausende erfreuen sich in Radebeul nicht nur am Wein, sondern auch an spritzigen Theaterstücken.

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© Norbert Millauer

Von Dominique Bielmeier

Was hat Shakespeare mit Wein zu tun? „Er hat selbst gern getrunken“, sagt ein junger Mann wissend zu seiner Begleiterin. Für das Theaterstück „Shakespeare im Becher“ hat das Paar sich schon 20 Minuten vor Beginn der Vorführung am Sonnabendnachmittag hinter der Kötzschenbrodaer Friedenskirche eingefunden. „Na dann – auf Shakespeare!“ entgegnet ein älterer Herr ein paar Bierbankreihen weiter vorne und hebt sein Weinglas.

Wer vorher nicht glauben konnte, dass Shakespeare und die Trinkerei zusammenpassen, wird beim Radebeuler Herbst- und Weinfest eines Besseren belehrt. Nicht nur die Besucher des internationalen Wandertheaterfestivals leeren den ein oder anderen Schoppen. Auch die Schauspieler vom York Theatre Royal sind trinkfest – zumindest auf der Bühne. Shakespeare war ein Trunkenbold, verkündet einer der Briten zu Beginn des Stückes, um gleich darauf ein Loblied auf den Alkohol anzustimmen. Während sie sich mit überraschend vielen Shakespeare-Zitaten zur Trinkerei gegenseitig zu überbieten versuchen, werden sie dank eines hochprozentig gefüllten Einkaufswagens immer betrunkener. Und je betrunkener sie werden, desto mehr verschwimmen die Grenzen zwischen Mensch und Rolle – bis die mordlustige „Lady Macbeth“ sogar den Tod eines ihrer Kameraden plant.

Besuch im Reich der Sinne

Doch das Stück endet versöhnlich und ohne Blutvergießen: „Gebt mir ein Glas Wein!“, ruft ein Schauspieler, seine Kollegen umarmend. „Darin will ich alle Lieblosigkeit begraben.“ Die Zuschauer nehmen den Appell ernst und treten aus der Stille hinter der Kirche in das bunte Treiben rund um den Dorfanger, wo sie der Verlockung des Weindorfes nachgeben. Auf einem Weinglas von Schloss Wackerbarth steht: „Willkommen im Reich der Sinne.“

Nach einem Glas Federweißer und einem Dresdner Handbrot sind die Sinne so geschärft, dass sie eine weitere Dosis Shakespeare vertragen. Die gibt es in stilechter Kulisse in einem hölzernen Nachbau des Londoner Globe-Theaters – inmitten eines Labyrinths an der Elbe und eine Nummer kleiner. So klein, dass die Besucher von Julia Capulet persönlich auf den Holzpaletten-Sitzbänken bis zum Äußersten komprimiert werden – so viele möchten die tragische Liebesgeschichte sehen.

Moment mal, tragisch? Eher unglaublich komisch. Denn Romeo und Julia sind zwei lustige Dänen namens Asterions Hus, die ihr Stück erstmals in – entzückend gebrochenem – Deutsch aufführen. Gleich zu Anfang errichten sie das Grab des berühmtesten aller Liebespaare, gießen es ein bisschen und rasseln dann die ganze Geschichte in einer Minute runter. Danach folgen Momentaufnahmen der Liebe, die immer gleich enden: mit dem lächerlichen Tod eines der beiden, nach welchem er sofort wieder putzmunter erwacht. Zwei Sumo-Ringer, die sich beim Kampf verlieben, eine klassische Balletteinlage und Hunde, die auf allen Vieren durch die kleine Arena rennen und sich beschnuppern – so haben Sie Romeo und Julia noch nie gesehen.