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Was geht eigentlich ohne Schnee?

Auch wenn gerade beste Bedingungen herrschen, nur vom Wintertourismus kann das Erzgebirge nicht mehr leben. Eine Tour durch die Region auf der Suche nach Alternativen zum nicht verlässlichen Schnee.

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© Ronald Bonß

Von Andrea Schawe

Es ist etwas paradox: Draußen herrscht sogenanntes Kaiserwetter, es ist knackig kalt, um die minus zehn Grad Celsius zeigt das Thermometer, wolkenfreier Himmel, die Sonne strahlt, der Schnee glitzert. Die Skipiste in Holzhau ist am Donnerstagnachmittag gut besucht, ein bisschen Schlangestehen am Lift inklusive. Und drinnen, in Willy’s Scheune direkt am Skihang, spricht Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) mit örtlichen Unternehmern. Thema: Wie kann Tourismus im Erzgebirge funktionieren, wenn der Winter nicht so mitspielt wie in diesem Jahr? Welche Angebote gibt es im Frühjahr, Sommer und wenn kein Schnee liegt?

Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) probierte in Altenberg unterdessen das Bobfahren aus. Der Minister sorgt sich um die Zukunft des Wintertourismus, denn so richtig Winter ist es immer seltener.
Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) probierte in Altenberg unterdessen das Bobfahren aus. Der Minister sorgt sich um die Zukunft des Wintertourismus, denn so richtig Winter ist es immer seltener.

Holzhau ist der zweite Stopp auf der Wintertour des Ministers. Schon in Altenberg versicherte er, dass Tourismus nicht nur eine Nebensache in seinem Ressort ist, sondern ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. „Und Standortwerbung für Sachsen“, sagt Martin Dulig. Doch die Tourismusregion Erzgebirge hat ein Problem: „Wenn der Winter nicht läuft, brauchen wir keinen Sommer“, sagen die Touristiker. In Zeiten des Klimawandels kann keiner Schnee im Mittelgebirge garantieren. Die Region muss ganzjährig für Touristen attraktiv sein, um zu überleben – auch in den schwierigen Monaten März, April und November.

In dieser Saison läuft es bisher ganz gut. Seit Dezember wird der Holzhauer Hang beschneit, die Pisten sind präpariert. Es gibt in der Region aber auch Skilifte, die stillstehen, sagt Alexander Richter. Der Unternehmer führt ein Sportgeschäft in Freiberg, betreibt den Skilift in Holzhau und vermietet Ferienwohnungen. Gerade hat er Martin Dulig auf einem Quad durch den verschneiten Wald am Erzgebirgskamm geführt – eine Sport-Alternative zu Skifahren und Rodeln.

Richter ist ein Macher, einer mit Ideen, der auch mal auf Widerstand stößt. „Ich wünsche mir weniger Verhinderung“, sagt er. Vor allem fehlendes Internet und die veralteten Skianlagen machen ihm Sorgen. „Die Tschechen machen uns vor, wie es geht“, sagt er. Auf der anderen Seite der Grenze stehen die modernsten Liftanlagen der Region, es werde massiv in Infrastruktur und Abfahrtspisten investiert – ohne Rücksicht auf die Umwelt.

Naturschutz und Tourismus: Die Interessen kollidieren gelegentlich. Dieses Spannungsfeld sei auch eine Chance, sagt Dulig. Erfolge werde man nur zusammen erreichen. Die Natur ist schließlich das Hauptkriterium, warum die Gäste überhaupt ins Erzgebirge kommen. Sensible Lösungen seien nötig, sagt Sven Irrgang, der Leiter des Forstbezirks Bärenfels. Im Osterzgebirge unterstützt der Staatsbetrieb etwa die Gemeinde Altenberg, die im Winter ein 81 Kilometer langes Loipennetz zur Verfügung stellt – gebührenfrei. Das bedeute auch Einschränkungen für den Forstbetrieb. „Wenn der Wald touristisch genutzt wird, können wir ihn nicht bewirtschaften.“

Der Wettbewerb werde aber nicht allein mit der Infrastruktur gemacht, sagt Manfred Böhme, Direktor des Landestourismusverbands. Noch nie habe der Freistaat so viel Geld in den Tourismus investiert. Im Doppelhaushalt stehen etwa neun Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung. „Geld allein reicht nicht. Service, Qualität und Ideen sind entscheidend“, sagt Böhme.

Die Ideen können nur aus der Region kommen, sagt Martin Dulig. Die Touristiker haben vor allem neue Zielgruppen im Blick: Neben den Wintersportlern und Wanderern sollen auch Motorradfahrer und Mountainbiker das Erzgebirge für sich entdecken. „Eine Projektidee ist ein neuer Mountainbike-Trail“, sagt Veronika Hiebl, die Geschäftsführerin des Tourismusverbands Erzgebirge. Die Rennradstrecke soll von Altenberg bis nach Chemnitz führen und die 162 Kilometer lange Mountainbikestrecke Stoneman Miriquidi ergänzen. Sie führt von und nach Oberwiesenthal. Seit der Eröffnung vor zwei Jahren fahren jährlich 3 500 Biker die Strecke ab, die über neun der höchsten Gipfel des sächsisch-böhmischen Erzgebirges verläuft. Um sie auf 300 Kilometer auszubauen, brauche der Tourismusverband Partner, sagt Hiebl. Kommunen, Landkreise, Unternehmer und der Sachsenforst müssten mit ins Boot.

In Oberwiesenthal hat man sich noch auf eine andere Zielgruppe spezialisiert: Kinder. „Sind wir ehrlich, meistens entscheiden die Kinder, was Familien im Urlaub machen“, sagt Jens Ellinger, der Geschäftsführer des Elldus Resorts. In dem Apartment-Hotel wurde 2015 ein neuer Spa-Bereich eröffnet, inklusive Sauna, Poolbecken und Betreuung für Kinder.

„Schneefrei“ – das gibt es in Augustusburg eigentlich nicht. Dank maschineller Beschneiung ist das Ski- und Snowboardfahren fast durchgängig von Dezember bis März möglich. „Rodeln kann man allerdings nur mit Naturschnee“, sagt Uwe Schreier, der Geschäftsführer von Rost’s Wiesen. Ideen für den Sommer und für schneelose Winter hat er trotzdem: ein überdachter Spielplatz, Kletteranlagen oder ein Dach für die Sommerrodelbahn. Dem Minister gefällt’s: „Hier wollen sie anpacken, hier passiert etwas. Das ist richtig gut“, sagt Dulig.