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Schwere Vorwürfe gegen Trainerin

Der Vater einer Zehnjährigen hat Anzeige gegen die SC-Mitarbeiterin erstattet. Der Verein steht hinter der Trainerin.

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© Symbolbild/Fredrik Von Erichsen/dpa

Von Britta Veltzke

Riesa. Es sind schwere Anschuldigungen, die der Vater einer zehnjährigen Sportlerin in einem offenen Brief erhebt. Diese richten sich gegen Nina B. – die ehemalige SC-Sportakrobatik-trainerin seiner Tochter. Auf sechs Seiten berichtet er von der „Angst vor der Waage“, davon, dass Kinder heimlich versuchen, an Essen zu kommen, das ihnen vorenthalten worden sein soll und von Anschuldigungen wie: „Du bist zu fett“ als „Sprachstandard“ im Training. Auch von Anweisungen auf Reisen, der Obermann habe die Hälfte seines Essens an den Untermann abzugeben, ist die Rede. Je leichter der Turner ist, der die Übungen auf etwa Schultern, Kopf oder ausgetreckten Armen seines Partners zeigt, desto einfacher fällt es dem Untermann, das Gewicht zu stemmen und die Balance zu halten. Laut des Vaters sollen die Kinder zudem heimlich gefilmt worden sein, „um den Eltern zu beweisen, wie schlecht sie sind.“

Engpässe bei den Sportakrobaten

Auch Beispiele für Mobbing führt er an: Einige Kinder seien nicht begrüßt oder ohne ersichtlichen Grund vom Training ausgeschlossen worden. „Es geht nach Sympathie und welches Kind den Mund hält“, schreibt er. In einem Fall sollen eine Verletzung nicht behandelt und das Kind bis zum Ende des Trainings einfach sich selbst überlassen worden sein. Nach etlichen Gesprächen mit Trainern und Vorstand, die im Sande verlaufen seien, habe sich die Familie dazu entschlossen, an die Öffentlichkeit zu gehen. Der offene Brief ging an Verbände wie den Deutschen Sportakrobatik Bund. Auch Politiker haben das Schreiben erhalten. Zudem veröffentlichte der Vater den Brief im sozialen Netzwerk Facebook, wo ihm viele Nutzer für seinen Mut dankten. Ihr Kind hat die Familie inzwischen beim SC Riesa abgemeldet.

Der Sportverein hat die Trainerin beurlaubt. Das dürfe jedoch nicht als Schuldeingeständnis missverstanden werden, sagt Sebastian Lohse. Der Jurist vertritt den Verein und damit die Trainerin in dieser Angelegenheit. Gleichzeitig gehört er dem Vereinsvorstand an. „Wir stehen voll und ganz hinter unserer Trainerin. Wir glauben nicht, dass etwas Substantielles an den Vorwürfen dran ist.“ Trotz allem sei der Verein bereit, die Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen zu unterstützen. Die Beurlaubung von Nina B. habe der Verein veranlasst, um sie zu schützen und nicht den Eindruck entstehen zu lassen, der Verein schaue tatenlos zu. Nach SZ-Informationen ist die Strafanzeige gegen die Trainerin bei der Polizei eingegangen, liegt jedoch noch nicht zur Weiterbehandlung bei der Staatsanwaltschaft vor.

Sebastian Lohse betont explizit, dass in der Abteilung Sportakrobatik Leistungssport betrieben wird. „Natürlich werden da andere Anforderungen gestellt als im Breitensport.“ Versuche, nach dem offenen Brief mit der Familie zu sprechen, seien fehlgeschlagen. Dass Nina B. derzeit nicht als Trainerin tätig ist, hat laut dem Verein bereits zu Engpässen geführt. „Es stehen wichtige nationale Wettkämpfe an. Natürlich macht es sich da bemerkbar, wenn eine Trainerin fehlt“, so Sebastian Lohse. Der Jurist geht aber davon aus, dass das Verfahren eingestellt wird.

Oliver Stegemann, Präsident des Deutschen Sportakrobatik Bunds, ist da anderer Auffassung. „Wenn nur zehn Prozent von dem, was in dem offenen Brief steht, stimmt, dann hat der Verein ein echtes Problem.“ Er habe Anfang April während der Sportakrobatik-Weltmeisterschaft in Antwerpen von der Strafanzeige gegen Nina B. erfahren. „Ich musste sie während eines Trainings darüber informieren, dass sie bis zum Abschluss der Ermittlungen als Trainerin gesperrt ist.“ Sie habe daraufhin ihre Akkreditierung abgegeben und sei sofort abgereist. Ihr sei es nun verboten, Kontakt zur Nationalmannschaft aufzunehmen. „Menschlich ist das natürlich bitter, aber wenn eine Strafanzeige vorliegt, haben wir als Verband ganz klare Regeln. Zum Schutz aller Beteiligten ist das das Beste“, betont Oliver Stegemann. Auch für Kaderlehrgänge und andere internationale Wettkämpfe sei Nina B. nun gesperrt.

Ähnliche Fälle hat der Verbandspräsident schon erlebt, jedoch nicht verbunden mit einer Anzeige. „Auch dabei ging es um das Thema Gewicht.“ Apropos Gewicht. Aus Sicht von Stegemann ein zweischneidiges Schwert. „Natürlich muss der Obermann leicht sein. Sportakrobatik ist schließlich ein Sport, der nicht mit Geräten ausgeführt wird, sondern mit anderen Menschen.“ Doch es gibt aus seiner Sicht Grenzen. „Gewicht ist wichtig, aber Essen ist wichtiger. Wir stehen für Leistung und Verantwortung. Wir bekennen uns zum Leistungssport, aber wir opfern nicht unsere Kinder für Medaillen.“ Junge Mädchen seien ohnehin anfällig für Magersucht. „Da kann man als Trainer nicht zu dem Kind sagen: Du bist fett.“ Sportler, die zu dünn sind, würden vom Verband nicht für internationale Wettkämpfe zugelassen. Andere Verbände würden das anders handhaben. „Schauen Sie sich mal die chinesische Damengruppe bei den letzten Weltmeisterschaften an.“ Die Oberfrau sei fast verhungert. Daher trete sein Verband auch für ein Mindestgewicht nach dem Body-Mass-Index ein, konnte sich international damit bislang aber nicht durchsetzen. „Wir reichen dieser Krankheit nicht noch die Hand. Im Zweifel ziehen wir die Notbremse“, erklärt Oliver Stegemann und das sei auch schon vorgekommen. Ein Mädchen sei sogar schon mal in einer Klinik gelandet. Aus diesem Grund hält er es für ein Unding, wenn Sportler etwa vor versammelter Mannschaft gewogen würden. „Wenn ich das mitbekomme, versuche ich, das zu unterbinden.“ Das Thema Gewicht könne nur im Dreieck aus Trainer, Sportler und Eltern diskutiert werden. Auch heimliches Filmen des ganzen Trainings ist aus Sicht Stegemanns nicht nur unnötig, sondern auch strafrechtlich relevant. „Klar, kann eine Videoanalyse für die technischen Fragen gewinnbringend sein, aber dafür muss ich nicht die Aufwärmung aufnehmen.“ Oliver Stegemann kann jetzt nichts weiter tun, als abzuwarten. „Wir haben als Verband nicht die Möglichkeiten, solche Sachverhalte selbst aufzuklären.“