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Schutzgelderpressung und mehr

Zimperlich sind sie nicht gewesen. Mit klaren Ansagen und ihrer puren Masse haben sie Geld erpresst. Auch einen Schießerei gab es. Fünf Männer stehen jetzt in Dresden vor Gericht. Drei Prozesse gegen zehn weitere Beschuldigte sollen folgen.

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© Gerald Hänel

Von Alexander Schneider

Zimperlich sollen sie nicht gerade gewesen sein. Die Männer machten gegenüber ihren Opfern klare Ansagen und wussten, wie sie ihren Forderungen den nötigen Nachdruck verleihen müssen – mit purer Masse im Auftreten und mit im Wortsinn schlagenden Argumenten. Das jedenfalls wirft die Anklageschrift nun fünf Männern im Alter von 28 bis 31 Jahren vor.

Die Angeklagten, alle haben einen osteuropäischen Migrationshintergrund, sollen spätestens seit 2015 im großen Stil von ihren Opfern in Dresden Geld erpresst haben – mittels Bedrohungen, Freiheitsberaubungen und Körperverletzungen. Spektakulärster Fall ist aus Sicht der Staatsanwaltschaft, Abteilung Organisierte Kriminalität, eine wilde Schießerei im Dresdner Osten Ende September 2015.

Seit Montag stehen die Männer wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, räuberischer Erpressung, schwerer und gefährlicher Körperverletzung vor dem Landgericht Dresden. Der Prozess findet vor dem Schwurgericht statt, weil einem der Angeklagten, Ibragim S. (30), auch versuchter Totschlag vorgeworfen wird. Kurz vor der Schießerei in der Mügelner Straße soll er mit seinem BMW gezielt auf einen Mann zugerast sein, um ihn zu verletzen. Dabei habe er den Tod des Deutsch-Irakers in Kauf genommen. Der Mann, Ammar R. (24), habe dann auf einen Mitangeklagten geschossen und sei selbst mit einer Gasdruckpistole aus einem fahrenden Auto heraus beschossen worden. R. steht derzeit ebenfalls vor dem Landgericht Dresden – unter anderem wegen Drogenhandels.

Anfang November 2016 hat die Polizei die Bande ausgehoben. Bei der Razzia wurden 16 Verdächtige, meist Tschetschenen, zwei Russlanddeutsche, ein Ukrainer, ein Armenier und ein Kasache, festgenommen. Ein Großteil sitzt bis heute in Untersuchungshaft. Wegen des hohen Gewaltpotenzials wurden Spezialeinsatzkräfte (SEK) sowie die GSG 9, die Antiterroreinheit der Bundespolizei, bei den Festnahmen und Durchsuchungen von Wohnungen und Asylbewerberunterkünften in Dresden, Pirna, Radeberg, Leipzig, Gotha (Thüringen) und Rheinland-Pfalz eingesetzt. Die Uniformierten stellten mehrere Tausend Euro Bargeld, scharfe Munition, zahlreiche Waffen und geringe Mengen Haschisch und Marihuana sicher.

Der Schwurgerichtsprozess gegen die fünf Männer ist nun das erste Verfahren gegen die Gruppierung. Laut Anklage seien die meisten Mitglieder der kriminellen Vereinigung Asylsuchende aus Tschetschenien, die sich mit weiteren russischstämmigen Komplizen zusammengeschlossen haben sollen. Mehr als 20 Verdächtige rechnet die Staatsanwaltschaft der Gruppierung zu sowie weitere unbekannte Täter.

Die Opfer der Bande hätten ebenfalls meist einen osteuropäischen Migrationshintergrund. Die Gruppe habe mit Diebstählen, Drogenhandel und vor allem mit gezielten Erpressungen und dem Eintreiben tatsächlicher oder vermeintlicher Schulden Geld gemacht. So seien etwa Opfer von mehreren Tätern zusammengeschlagen worden, weil sie angeblich Drogen von schlechter Qualität an Tschetschenen verkauft oder nicht im Auftrag der Angeklagten gedealt haben sollen. Manchmal habe es genügt, Tschetschenen angeblich beleidigt zu haben. Die Tatbeteiligungen an den nun im Raum stehenden Vorwürfen – die Anklage umfasst 18 Punkte – sind höchst unterschiedlich. Zwei Männer sitzen nicht mehr in Untersuchungshaft. Drei der fünf Männer haben zuletzt in der Securitybranche gearbeitet.

Ob sie sich zu den Vorwürfen äußern werden, ist unklar. Zur Beantwortung dieser Frage kam es am Montag nicht mehr. Für Wirbel sorgte, dass erst am Freitag das Fehlen von rund 140 Seiten in der Akte bemerkt wurde. Daher beantragten die Verteidiger, die Hauptverhandlung auszusetzen. Sie halten den Grundsatz eines fairen Verfahrens für nicht mehr gewahrt. Doch so weit kam es nicht. Der Vorsitzende Richter Herbert Pröls sagte, zunächst müsse geprüft werden, ob die Seiten tatsächlich fehlen oder möglicherweise nur falsch abgeheftet wurden. Der Prozess wird am 6. November fortgesetzt.

Drei weitere Prozesse gegen insgesamt zehn Beschuldigte dieser Gruppierung sind vor der Staatsschutzkammer des Landgerichts Dresden geplant. Diese Verfahren sind noch nicht eröffnet worden.