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Schuldspruch im Hakenkreuz-Fall von Mittweida

Das Gericht ist überzeugt, dass sich die 18-Jährige selbst das Nazi-Symbol in die Haut ritzte. Sie wurde zu40 Arbeitsstunden verurteilt.

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Von Lars Rischke

Anfang des Jahres wurde sie als Heldin von Mittweida gefeiert. Das bundesweite Bündnis für Demokratie und Toleranz zeichnete sie damals mit dem Ehrenpreis für Zivilcourage aus. Gestern nun wurde Rebecca K. vom Amtsgericht Hainichen schuldig gesprochen – wegen Vortäuschens einer Straftat.

Jugendrichterin Anne Mertens hatte nach mehrtägiger Beweisaufnahme keinen Zweifel, dass sie sich vor einem Jahr in Mittweida selbst ein Hakenkreuz in die rechte Hüfte ritzte und anschließend behauptete, von Neonazis überfallen worden zu sein. Die damals 17-Jährige war im November 2007 zur Polizei gegangen und hatte angegeben, sie habe sich schützend vor ein kleines Aussiedlermädchen gestellt. Der Fall sorgte bundesweit für Aufsehen und Empörung.

Urteil wird angefochten

Die Richterin verurteilte die junge Frau am Ende der nicht öffentlichen Verhandlung zu einer Jugendstrafe von 40 Arbeitsstunden. Insgesamt wurden 27 Zeugen und zwei Gutachter vernommen. Rebecca K. kam auch gestern in Begleitung ihrer Eltern nach Hainichen. Wortlos und mit gesenktem Kopf verließ sie nach dem Urteil das Gerichtsgebäude durch einen Hinterausgang.

Anwalt Axel Schweppe kündigte kurz darauf an, das Urteil anzufechten. Er sprach von Lücken in der Indizienkette und offenen Fragen. Am Vormittag hatte er noch vergeblich die Vernehmung eines dritten Sachverständigen gefordert, um die Persönlichkeit der Angeklagten besser beurteilen zu können. „Es gibt kein Motiv in der Psyche, in der Persönlichkeit meiner Mandantin“, argumentierte er. Es passe nicht zu ihr, dass sie auf sich habe aufmerksam machen wollen. „Sie ist selbstbewusst, steht mit beiden Beinen im Leben.“ Sie gehöre auch nicht der linken Szene an.

Nutzen für Rechtsextremisten

Während die Verteidigung auf Freispruch plädierte, forderte die Staatsanwaltschaft neben einer Verwarnung 100 Arbeitsstunden. Doch obwohl das Gericht im Kern im Sinne der Anklage entschied, wirkte auch Oberstaatsanwalt Bernd Vogel am Ende zerknirscht. Ihm wäre es am liebsten gewesen, es hätte diesen Prozess gar nicht gegeben, sagte er. Er fürchte, die Entscheidung könnte Wasser auf die Mühlen bestimmter Kreise sein.

Der Fall hatte auch deshalb für Wirbel gesorgt, weil angeblich zahlreiche Anwohner von ihren Balkonen aus den Vorfall beobachteten, ohne einzuschreiten. Erst im Laufe der Ermittlungen kamen Zweifel an der Überfall-Version auf.

Für Mittweida war dies ein Rückschlag im Kampf gegen rechte Gewalt. Die Stadt sah sich zeitweise als Nazi-Stadt an den Pranger gestellt. Neonazis versuchten, daraus politisches Kapital zu schlagen und den Kampf gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit pauschal zu verunglimpfen. Die NPD sprach sogar von Hexenverfolgungen wie im Mittelalter. Dabei ist die Region tatsächlich seit Längerem ein Schwerpunkt der rechtsextremistischen Szene in Sachsen.