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Schlichtung nicht erwünscht

Wegen vermeintlicher Kleinigkeiten streiten ein Winzer und seine Nachbarn vor Gericht. Es geht um Grundstücksgrenzen und noch mehr ums Prinzip.

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© Claudia Hübschmann

Von Marcus Herrmann

Meißen. Der letzte Streit vor Gericht, der mediale Beachtung fand, liegt für Winzer Steffen Schabehorn gut sechs Jahre zurück. Damals hatte der Sörnewitzer den öffentlich genutzten Schiffsmühlenweg in Coswig teilweise abgesperrt und für Fahrzeuge unbefahrbar gemacht, obwohl nur ein kleiner Teil des Weges ihm gehörte. Nach langem Hin und Her hatten mehrere Kläger vor dem Amtsgericht Meißen recht bekommen, Schabehorn wurde das Anbringen von Absperrvorrichtungen untersagt.

Weil die Dämmung etwas übersteht und auf das Nachbargrundstück „hängt“, muss es weg.
Weil die Dämmung etwas übersteht und auf das Nachbargrundstück „hängt“, muss es weg. © Claudia Hübschmann
So sieht es derzeit auf dem Nachbargrundstück der Golzes aus. Der Eigentümer, der in Sachen Grundstücksgrenzen gerne klagt, hat hier augenscheinlich keinen festen Wohnsitz.
So sieht es derzeit auf dem Nachbargrundstück der Golzes aus. Der Eigentümer, der in Sachen Grundstücksgrenzen gerne klagt, hat hier augenscheinlich keinen festen Wohnsitz. © Claudia Hübschmann

Unter den damaligen Klägern war auch die Coswiger Tagesmutter Elke Zschippang, die den betreffenden Weg als Zufahrt zu ihrem Haus nutzte, was Steffen Schabehorn wohl missfiel. Den Streit von damals beschreibt sie als absolut vermeidbar.

„Er ist nie an einer Einigung interessiert, wollte von Schlichtungsversuchen nichts wissen“, sagt Zschippang. Fast identisch mit ihren Worten sind die Beschreibungen von Dorothea Golze. Die 68-Jährige wohnte lange Zeit in Meißen, war von 1994 bis 2006 Inhaberin eines Küchenstudios an der Dresdner Straße.

Heute gehört ihr noch ein Grundstück ganz in der Nähe, das sie teils vermietet, teils mit ihrem Mann als Wohnraum nutzt. Probleme habe es bis vor etwa zehn Jahren mit den Nachbarn nie gegeben, so die Rentnerin, deren Lebensmittelpunkt heute im brandenburgischen Rathenow liegt. Das habe sich erst um das Jahr 2010 herum geändert. Damals gehörte das Grundstück bereits einige Jahre dem neuen Besitzer Steffen Schabehorn.

Wer heute einen Blick darauf wirft, sieht hier einen alten, ungenutzten Audi stehen, daneben ein paar Ziegel und Eisenstangen. „Von seinem Grundstück sind nach einer gewissen Zeit immer wieder Dachziegel auf unsere Garagen gefallen. Daraufhin haben wir ihn gebeten, ein paar Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen“, sagt Golze. Das habe zu ihrer Verwunderung aber dazu geführt, dass sich der Nachbar vermehrt auf dem Dach ihres Grundstücks aufgehalten habe – ohne irgendetwas zu reparieren. Lediglich Balken habe er in eine Dachrinne seines Grundstücks gelegt.

Als Mieter Schabehorn auf dem Dach der Golzes fotografieren, schalten diese die Polizei ein, zeigen den Nachbarn wegen Hausfriedensbruch an. Der bestreitet allerdings die Vorwürfe. Die Sache verläuft zunächst im Sande. Was allerdings dann passiert, hatten die Golzes nicht erwartet. Jetzt war Schabehorn am Zug. Ihn selbst konnte die SZ in den letzten zwei Tagen telefonisch nicht erreichen. Die Ausführungen der Familie Golze bestätigen allerdings gleich mehrere Mieter an der Dresdner Straße 95. Demnach sei 2013 ein Schreiben aus dem Bauaufsichtsamt der Stadt Meißen bei den Golzes eingegangen. Darin wurden sie aufgefordert, ihren etwa 20 Zentimeter auf das Nachbargrundstück ragenden Balkon abzureißen. Begründung: Von einer Rinne des Balkons dringe Wasser auf einen Schuppen des Nachbargrundstücks.

Mitarbeiterin bewusst getäuscht

Der hätte wiederum gar nicht errichtet werden dürfen, sei ohne Genehmigung von Herrn Schabehorn gebaut worden, erklärt Dorothea Golze. Nichtsdestotrotz bekam ihr Nachbar laut richterlichem Beschluss Recht, da kein Grundbucheintrag existiert, der den Überstand rechtfertigt. „An einer gütlichen Einigung war er nicht interessiert. Dabei hätten wir ihm sogar ein Stück Fläche kostenlos abgetreten, hätten wir den Balkon so lassen dürfen“, berichtet Golze. Doch damit nicht genug.

1995 hatte die Familie eine Wärmedämmung um die Fassade herum bauen lassen. Dadurch greift diese einige Zentimeter über das eigene Grundstück über. Was sich mit den alten Nachbarn bei einem Bier klären ließ, bot Schabehorn erneut eine Angriffsfläche. Wieder streiten beide Seiten bis vors Oberlandesgericht Dresden. Das Urteil: Nach der Klage Schabehorns müsse die völlig intakte Fassade samt Dämmung abgerissen werden oder die Golzes eine Entschädigung von 5 000 Euro bezahlen. „Dabei kostet die Fassade nur 3 000 Euro“, sagt Golze. Ein Angebot über 2 500 Euro habe die Gegenseite abgelehnt.

Ein Detail in dem Fall belegt, dass dem Winzer an einer Einigung nicht gelegen ist. So hat er während einer Gerichtsverhandlung plötzlich alte Bauunterlagen vorgelegt, die die Unrechtmäßigkeit des Anbaus der Golzes belegen sollten. Diese halfen ihm zwar nicht weiter. Pikant ist allerdings: Jene Unterlagen für das Grundstück der Golzes hätten ausschließlich den Besitzern ausgehändigt werden dürfen. „Ich dachte, ich sehe nicht richtig“, erinnert sich Golze. Im Nachhinein kommt raus, dass Steffen Schabehorn im Juni 2015 einen Termin im Stadtarchiv Meißen hatte. Eine Mitarbeiterin bestätigt gegenüber der SZ, dass er sich als Besitzer des Nachbargrundstücks ausgegeben habe. Sie sei auf die Täuschung reingefallen, habe das sogar der Polizei ausgesagt. Das bestätigt auch Meißens Revierleiter Hanjo Protze.

Eine eventuelle Bestrafung sei aber nicht Sache der Polizei, sondern die eines Anwalts. Den schalteten daraufhin Golzes ein, zeigten Schabehorn wegen Verstoßes gegen das Datenschutzgesetz an – bislang ohne Folgen. Ungeachtet dessen hat Dorothea Golze für den 9. November den Abriss der Fassade sowie eines Teils ihres Balkons beauftragt, folgt damit den Gerichtsurteilen. Damit die Fassade abgerissen werden kann, müsste der Coswiger Winzer zuvor den angrenzenden Schuppen ebenfalls abreißen. „Sonst kommen die Arbeiter gar nicht an die Fassade ran“, sagt Golze. Ob er das fristgerecht tut, ist nun die Frage. Nachbarn bezweifeln es.