Merken

Schlammlawine überrollt Seußlitzer Grund

Eine Gewitterzelle hatte über dem Ort gewütet. Nun wird auch Kritik am Naturschutz laut.

Teilen
Folgen
© Klaus-Dieter Brühl

Von Antje Steglich

Diesbar-Seußlitz. Kaulquappen zappeln auf den Wegen, tote Fische liegen im Gras. Der Wanderweg rings um den ehemaligen Seußlitzer Gondelteich ist abgesperrt, und auf dem Spielplatz in der Nähe hängt das Treibgut zwischen den Kletterstangen. Noch am Tag nach dem Unwetter sind dessen Auswirkungen deutlich sichtbar.

Naturschützer sammeln Kaulquappen ein, die aus dem Teich im Seußlitzer Grund gespült wurden.
Naturschützer sammeln Kaulquappen ein, die aus dem Teich im Seußlitzer Grund gespült wurden. © Klaus-Dieter Brühl
Der Wanderweg um den Seußlitzer Gondelteich musste wegen der Überflutung gesperrt werden.
Der Wanderweg um den Seußlitzer Gondelteich musste wegen der Überflutung gesperrt werden. © Klaus-Dieter Brühl

Ab etwa 5 Uhr nachmittags hat am Mittwoch über Diesbar-Seußlitz eine lokale Gewitterzelle gewütet und ließ in kurzer Zeit zwischen 60 und 80 Liter pro Quadratmeter auf den Ort niederregnen, sagt Bürgermeister Gerd Barthold (CDU). In anderen Ortsteilen der Gemeinde regnet es zwar auch, aber nicht einmal halb so viel wie über den Elbweindörfern. Vor allem im Seußlitzer Grund sind die Schäden enorm, so der Bürgermeister, der selbst bis in die Nacht hinein mit der freiwilligen Feuerwehr im Einsatz ist. Denn aus Richtung Döschitz kommen so viel Wasser und Schlamm herunter, dass nicht nur der Forellen- und der Gondelteich komplett überschwemmt werden. Die Schlammlawine rollt sogar bis in den Schlosspark hinein.

Die Ortswehren von Merschwitz und Nünchritz/Grödel sind im Einsatz, so Gemeindewehrleiter Wolfgang Sax. Sie rücken in den Seußlitzer Grund, an die S 88 und nach Neuseußlitz aus. Absichern und Schäden aufnehmen heißen die Aufgaben am Abend. „Denn viel machen konnten wir gegen das Wasser nicht“, so der Wehrleiter. Die kleinen Bachläufe, Durchlässe und Rohre sind einfach überfordert mit den Wassermassen – aber vor allem mit dem mitgeführten Dreck. Geröll und Holz verstopfen die Einlässe und sorgen für viel Ärger. Auch bei Merkers Weinstuben.

Es ist wie ein Déjà-vu. „Als wir abends heimkommen, ist plötzlich der halbe Wald unterwegs“, sagt Albrecht Merker. Wie schon 2013 kann das Rohrsystem, dass den Löbsalbach durch die privaten Grundstücke und unter der S 88 hindurch zur Elbe führt, den Massen nicht standhalten beziehungsweise werden die Einlässe so schnell verstopft, dass sich Wasser und Schlamm selbst einen Weg suchen – mitten durch die Weinstuben hindurch. Die Terrasse wird überschwemmt. Der Keller steht unter Wasser. Der Bauhof hilft am Tag danach bei den Aufräumarbeiten, und schon am Freitag soll wieder geöffnet werden: „Wir haben da eine Hochzeit. Wir müssen wieder öffnen“, so Albrecht Merker. Trotzdem ist er verärgert.

Denn zwar seien die Ausfälle verschmerzbar. Sie seien aber auch vermeidbar gewesen. Schon 2013 habe er gebeten, sogenannte Treibgutrechen aufzubauen, um Dreck und Holz aufzufangen. Stattdessen habe man sich beim Neubau des Graben- und Rohrsystems für eine Variante mit Holzbalken entschieden – die augenscheinlich nicht funktioniere. Dazu kämen die Befindlichkeiten des Naturschutzes. So dürfte Totholz aus Schutzgründen nicht entnommen werden, das bei solchen Ereignissen dann aber mit den Berg hinunter gespült wird. „Wenn die Naturereignisse schlimmer werden, dann müssen auch Maßnahmen getroffen werden“, fordert Albrecht Merker. Dem widerspricht auch Bürgermeister Barthold nicht und verspricht, Lösungen zu finden: „Wir brauchen dringend etwas, was Geröll und Holz abhält.“

Ähnlich schlimm getroffen hat es laut Feuerwehr am Mittwoch neben Diesbar-Seußlitz unter anderem auch die Orte Schieritz und Nieschütz in der Gemeinde Diera-Zehren sowie Döschütz, Gävernitz, Zottewitz und Priestewitz in der Gemeinde Priestewitz. Besonders tragische Folgen hat das Unwetter in Thiendorf. Beim Versuch, einen umgestürzten Baum zu umfahren, war um 17.45 Uhr ein 63-Jähriger mit seinem Renault zwischen Liega und Ponickau mit einem entgegenkommenden Seat zusammengestoßen. Der 55-jährige Seatfahrer wird mit lebensgefährlichen Verletzungen ins Krankenhaus gebracht. Der Renault-Fahrer verstirbt noch am Unfallort.