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Schatten über dem Conne Island

Vor den Feiern am 3. Oktober gerät das linke Leipziger Kulturzentrum in die Kritik – und wehrt sich gegen die Vorwürfe.

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© Screenshot: sz-online

Von Sven Heitkamp, Leipzig

Es kommt wohl, wie es kommen muss, wenn Dresden am 3. Oktober die Feiern zum Tag der Einheit ausrichtet. Während sich Staatsrepräsentanten bei der geschlossenen Festveranstaltung in der Semperoper treffen, stehen politisch radikalere Gruppen auf der Straße und protestieren. Die aktuellen und ehemaligen Pegida-Frontleute Lutz Bachmann und Tatjana Festerling rufen mit ihren Bewegungen ebenso zu Aktionen auf wie rechtsradikale Kreise. Und auch Linke sowie Linksextreme mobilisieren. Das Motto „Brücken bauen“ scheint weit entfernt am Tag der Einheit.

In die Kritik gerät dabei auch ein selbst verwaltetes Jugend- und Kulturzentrum im ewig umkämpften Leipziger Stadtteil Connewitz: Das „Conne Island“. Der mehrfach ausgezeichnete Klub ist bei Connewitzern beliebt, deren Kinder dort den Skaterpark und die Sportanlagen nutzen und die abends Konzerte besuchen. „Die Toten Hosen“ und andere Musikgrößen spielten schon dort. Der Ort gilt aber auch als ein Treffpunkt der autonomen Szene. Am Dienstag lädt das Conne Island zu einem Mobilisierungs-Gastvortrag einer linksradikalen Gruppe ein. Man will, so heißt es, Protestaktionen des Dresdner Bündnisses „Solidarity without limits (Grenzenlose Solidarität) – Nationalismus ist keine Alternative“ erläutern. Am 2. Oktober ist eine Demo geplant, am 3. Oktober sind es dezentrale Aktionen. Der Vorwurf: Sachsen sei durch Pegida und wütende Übergriffe auf Geflüchtete zum Sinnbild des Rechtsrucks in Deutschland geworden, Dresden sei der Ausgangspunkt eines neuen Nationalismus. „Die Brücken, die hier gebaut werden, verbinden letztendlich völkische, rassistische und nationalistische Kräfte zu einem Konsens von Abschottung, Armut und Ausgrenzung.“ Darunter steht: „Let’s crash their party!“

Verkappter Gewaltaufruf

Leipziger CDU-Politiker nennen dies einen verkappten Gewaltaufruf und gehen auf die Barrikaden. Achim Haas, Geschäftsführer der CDU-Stadtratsfraktion, fordert, die städtischen Fördermittel von 180 000 Euro in diesem Jahr sofort zu stoppen, wenn es der Trägerverein zulasse, dass mithilfe von Steuergeldern zu Gewalt aufgerufen werde. Für Haas ist das Conne Island ohnehin eine „Stammkneipe linksautonomer Terroristen“. Der Mobilisierungs-Abend lasse ihn an Connewitzer Straßenschlachten und Anschläge auf Abgeordnetenbüros, Polizeiposten und Gerichte denken, deren Spuren ins Conne Island führen würden. Haas sagt sarkatisch, er frage sich, welche Art von Kursen wohl angeboten würden: „Wie baut man Barrikaden? Wie übt man Steine werfen?“

Das Conne Island stellt indes klar, dass mit „Let’s crash their party!“ eben kein Gewaltaufruf gemeint sei. Die Übersetzung laute: „uneingeladen zu einer Party kommen“, sagt eine Mitarbeiterin auf SZ-Nachfrage und betont: „Wir würden nie zu Gewalt aufrufen.“ In einer Stellungnahme erklärt das Conne Island, angesichts von Hunderten rechtsmotivierten Angriffen auf Asylbewerber-Unterkünfte, dem Erstarken der AfD und Ausschreitungen wie in Bautzen finde man es „nur zu verständlich, dass es Menschen gibt, die den 3. Oktober nicht feiern wollen.“ Daher wolle man den Tag mit angemeldeten Protesten „kritisch begleiten“. Ziel der Anfeindungen aus der CDU scheine die Diffamierung eines unliebsamen Projektes zu sein.

Jene gute Zusammenarbeit ist nun indes belastet. Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke von den Linken kritisierte die „sehr unglückliche Formulierung“ des Aufrufs und erklärte auf SZ-Anfrage ihre Bedenken: „Meinungsfreiheit ist ein außerordentlich hohes Gut. Mit dem Aufruf ’Let’s crash their party‘ schießt das soziokulturelle Zentrum aber über das Ziel hinaus. Wir werden das kritisch auswerten.“ Die Geschäftsführerin des Trägervereins habe ihr allerdings versichert, dass von der Veranstaltung keinerlei Aufruf zu Gewalt ausgehen werde. Anfang des Jahres hatte das Rathaus nach einer Prüfung klargestellt, dass der Verein auf dem Boden des Grundgesetzes stehe und den Status der Gemeinnützigkeit habe. Gespräche mit dem Verfassungsschutz hätten keine Anhaltspunkte dafür geliefert, die Förderung zu überdenken oder einzustellen. Dies bestätigt der Geheimdienst. „Der Projekt Verein e.V. ist kein Beobachtungsobjekt“, betont der Sprecher des Landesamtes für Verfassungsschutz, Martin Döring, auf SZ-Anfrage. „Er wird nicht von Extremisten getragen.“ In der Vergangenheit wurde das Conne Island zwar als Anlaufstelle von „Problemkadern“ der autonomen Szene bezeichnet. Soweit bekannt ist, ist es aber mindestens seit 2010 nicht mehr auf dem Radar des Verfassungsschutzes.

Unpolitisch ist der 25 Jahre alte Klub bewusst nicht. Im 19. Jahrhundert als Ausflugslokal „Eiskeller“ stadtbekannt und nach 1945 der FDJ-Jugendclub „Erich Zeigner“, wurde er 1990/91 ein Treffpunkt der alternativen Szene.