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Sächsische Problemzonen

In sächsischen Städten werden öffentliche Plätze zu Problemzonen. Abhilfe ist möglich – nicht nur durch Polizei.

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© dpa

Von Thilo Alexe, Sebastian Beutler und Michael Müller (FP)

Bierflaschen bersten, junge Männer gehen aufeinander los, es gibt Verletzte. In mehreren sächsischen Städten sind öffentliche Plätze zur Kulisse für Drogenhandel und Raufereien geworden, aber auch zum Sammelpunkt für Rechtsextremisten und Asylbewerber. Orte in Dresden, Görlitz und Chemnitz zählen dazu. Zur Problemzone ist auch die Leipziger Eisenbahnstraße geworden. Jüngstes Beispiel liefern die Krawalle auf dem Bautzner Kornmarkt. Die Sicherheit in Sachsen ist dadurch nicht gefährdet. Doch sind die Ausschreitungen mehr als ein örtliches Phänomen – sie spiegeln gesellschaftliche Konflikte.

In der Dresdner Neustadt steigt die Gewaltbereitschaft

Viele Jahre war es ruhig auf dem Platz vor der Dresdner Scheune. Nach heftigen Schlägereien dort hatte der Stadtrat 2007 Alkoholverkauf in der Dresdner Neustadt an Wochenenden eingeschränkt. Die Regelung gilt seit Juni nicht mehr. Dass sich in den vergangenen Wochen die Atmosphäre im Ausgehviertel verändert hat, ist unstrittig. Nachdem am vergangenen Wochenende ein Marokkaner einer Polizistin einen Rippenbruch zugefügt hatte, kündigte Polizeipräsident Horst Kretzschmar mehr Beamte für die Neustadt an. Unklar ist allerdings, woher die gestiegene Gewaltbereitschaft sowie die erhöhte Zahl von Diebstählen kommen. Der Alkohol ist wohl nicht der entscheidende Faktor. Es gibt Rangeleien unter Migranten – aber eben auch Auseinandersetzungen unter dem Neustadt-Publikum, das vor allem an Wochenenden aus der Region nach Dresden strömt. Klarer zu benennen sind Ursachen für den Kriminalitätsschwerpunkt am Wiener Platz. Vor dem Dresdner Bahnhof sorgten hauptsächlich nordafrikanische Dealer für Verunsicherung. Ihre Kunden sind auch Deutsche. Nach mehreren Razzien hat sich die Situation beruhigt.

Rund um den Chemnitzer Park setzt es 300 Platzverweise

Im Chemnitzer Stadtzentrum kristallisierte sich in den vergangenen anderthalb Jahren der Park vor der Stadthalle als Problembereich heraus. Zwischen Karl-Marx-Monument und einer großen Einkaufsgalerie gelegen, sorgt die gepflegte Grünanlage mit dem größten Springbrunnen der Stadt immer wieder als Schauplatz gewalttätiger Auseinandersetzungen für Schlagzeilen. Neben Eis essenden Chemnitzern, darunter viele mit Kindern und einigen seit jeher dort anzutreffenden kleinen Gruppen aus dem Trinker-Milieu prägen seit Monaten nicht zuletzt junge Migranten das Bild. Mitunter geraten sie in Streit; meist untereinander. Im Mai wurde ein Libyer von einem jungen Syrer durch einen Stich in den Rücken lebensgefährlich verletzt. Der mutmaßliche Täter muss sich derzeit wegen versuchten Totschlags vor Gericht verantworten. Nachdem sich Stadt und Polizei anfangs den Schwarzen Peter zuschoben, wer von ihnen in erster Linie für Ordnung zu sorgen habe, arbeiten beide mittlerweile Hand in Hand. Auch Sozialarbeiter sind in dem Areal regelmäßig unterwegs. Dreimal gab es seit Mai größere Einsätze „gegen Straßen- und Drogenkriminalität“; bislang wurden 300 Platzverweise erteilt.

Fußball, Sozialarbeit und Feste verdrängen Randalierer in Görlitz

Wochenlang zog der Görlitzer Marienplatz Aufmerksamkeit von Polizei und Ordnungsamt auf sich. Im Frühjahr meldeten Sicherheitskräfte wöchentlich Pöbeleien und Schlägereien. Bis zum Sommer zählten die Beamten auf innerstädtischen Plätzen mehr als 200 Straftaten wie Diebstähle, Beleidigungen und Körperverletzungen – eine massive Steigerung zum Vorjahr. Häufig gerieten junge Asylbewerber aneinander. So forderten sich Syrer und Ägypter oder Kosovaren und Albaner gegenseitig heraus. Zudem prügelten sich auch polnische Jugendliche, die in Görlitz wohnen, mit den Flüchtlingen. Mittlerweile sagen Flüchtlinge, sie hätten vor den Polen mehr Angst als vor den Deutschen. Auf dem Marienplatz versammeln sich Asylsuchende gern, weil es einen öffentlichen W-Lan-Hotspot gibt und sie eine halbe Stunde täglich mit der Heimat telefonieren können. Außerdem schätzen sie die Polizeipräsenz, wie sie der SZ sagten. Die Lage hat sich im Sommer beruhigt – etwa wegen der Grenzkontrollen anlässlich des Nato-Gipfels und der Ferien. Zudem verdrängten Angebote von Sozialarbeitern wie Unihockey und Feste wie das Görlitzer Straßentheater die Konfliktparteien. Die Stadt bot sogar Fußballspielen auf dem Marienplatz an. Nach Anwohnerbeschwerden wichen Sozialarbeiter in Parkanlagen aus. „Das funktioniert dort gut“, sagt der Görlitzer Oberbürgermeister Siegfried Deinege.

In Bautzen stehen sich Flüchtlinge und Rechtsextremisten gegenüber

Aktueller Schwerpunkt ist Bautzen. Rechtsextremisten und deren jugendliche Sympathisanten treffen auf dem Kornmarkt auf Asylbewerber. Die Gruppen fühlen sich von der jeweils anderen Seite provoziert. Das Rathaus will vermeiden, dass sich Bautzen zum weiteren Synonym für Fremdenfeindlichkeit im Osten entwickelt, dass die Stadt als Ort gilt, in der ein rechter Mob Asylbewerber scheucht. Doch auch von Flüchtlingen ging Gewalt aus. Was tun? Innenminister Markus Ulbig (CDU) kündigt mehr Polizei für Bautzen an. Zudem verweist er generell auf Maßnahmen vor Ort wie Aufenthalts- oder Alkoholverbote. In der Politik herrscht die Sorge, dass Randale Rechtsextremisten oder Rechtspopulisten in die Hände spielt. Vize-Regierungschef Martin Dulig (SPD) sagt, Integration sei kein Selbstläufer. „Wir brauchen ausreichend Personal, um diese große Aufgabe zu lösen.“ Für Sachsens Ausländerbeauftragten Geert Mackenroth sind es zwei Seiten einer Medaille, Flüchtlinge zu integrieren und Rechtsradikale von Vorteilen von Toleranz und Demokratie zu überzeugen.