Merken

„Sachsensumpf“-Affäre - Zeugin erhebt schwere Vorwürfe

Der „Sachsensumpf“ sorgt auch nach Jahren für Mutmaßungen. Dabei gerät auch der Umgang sächsischer Behörden mit den Vorwürfen selbst ins Zwielicht. Angeblich sollen viele Akten verschwunden sein.

Teilen
Folgen
© dpa

Dresden. Die Hauptzeugin in der „Sachsensumpf“-Affäre hat schwere Vorwürfe gegen Vorgesetzte aus dem Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) erhoben. So seien nach Bekanntwerden der Anschuldigungen wesentliche Akten über den Fall verschwunden. Konkret listete die 53 Jahre alte Juristin Simone Skroch (früher Henneck) am Mittwoch im Untersuchungsausschuss des Landtages Berichte über Treffen mit Quellen des Geheimdienstes sowie Aussagen von sieben verschiedenen Auskunftspersonen aus. Sie hätten unter anderem Hinweise darauf enthalten, dass Kinder aus Osteuropa zum sexuellen Missbrauch nach Leipzig gebracht werden sollten. Auch Informationen über korrupte Polizisten und sexuelle Neigungen von Justizbeamten hätten sich in den Quellenberichten befunden.

Der „Sachsensumpf“ begann im Mai 2007 als vermeintliche Korruptionsaffäre. Damals tauchten in den Medien Berichte auf, wonach Dokumente aus dem LfV Hinweise auf ein Netzwerk der Organisierten Kriminalität (OK) in Sachsen enthielten. Darin sollten angeblich auch Juristen und Polizisten verstrickt sein. Der damalige Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) heizte die Spekulationen mit seiner legendären „Mafia“-Rede im Landtag an. Darin warnte er eindringlich davor, dass die OK zurückschlagen werde.

Skorch: „Ich wurde zum alleinigen Sündenbock erkoren“

Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Dresden konnten die in den Akten enthaltenen Vorwürfe nicht belegen. Vielmehr stellten externe Prüfer fest, dass Akten im Geheimdienst aufgebauscht wurden und nur auf Angaben einer Quelle beruhten. Dafür wurde Skroch als Ex-Chefin des OK-Referates verantwortlich gemacht.

Auch bei ihrer dritten Befragung im U-Ausschuss beteuerte Skroch am Mittwoch, dass mehrere Quellen unabhängig voneinander Daten lieferten. Die Erfassung und Auswertung der Hinweise sei getrennt erfolgt. Als man die Erkenntnisse im Mai 2007 an die Dresdner Staatsanwaltschaft übermittelte, sei dort ein Anfangsverdacht formuliert worden. Statt die Angaben diskret zu behandeln und zu prüfen, habe die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Betroffene aufgenommen und Informationen an die Öffentlichkeit weitergegeben. Später dann habe man alles als „heiße Luft“ abgetan. „Ich wurde zum alleinigen Sündenbock erkoren“, sagte Skroch. Man habe ihr unter anderem „blinden Jagdeifer“ und eine „blühende Fantasie“ vorgeworfen.

Die Zeugin verlas mehrere Stunden lang eine Erklärung. Dabei klagte sie auch die sächsische Justiz an. Unter Verletzung ihrer Verteidigungsrechte werde sie seit sechs Jahren mit Disziplinar- und Ermittlungsverfahren überzogen. Allein seit ihrer vorherigen Aussage im U-Ausschuss Anfang 2009 seien vier Ermittlungsverfahren wegen uneidlicher Falschaussage, falscher Verdächtigung und Verleumdung eingeleitet worden.

Ex-Geheimdienstchef Reinhard Boos beschuldigte sie, ein klar als Fälschung erkennbares Dokument in einem Disziplinarverfahren verwendet zu haben. LfV-Vize Olaf Vahrenhold habe 2007 im Vorfeld einer Sitzung der Parlamentarischen Kontrollkommission die Anordnung erteilt, Akten zu vernichten.

Der SPD-Obmann im Ausschuss, Karl Nolle, wähnte die sächsische Justiz schon mitten in einer „Bananenrepublik“. Der von Skroch geschilderte Umgang der Justiz mit der Affäre sei der eigentliche Sumpf. „Im Sumpf stecken ganz andere als diejenigen, die beschuldigt werden“, sagte Nolle am Rande der Ausschusssitzung. (dpa)