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Sachsen schrumpft weiter

Auch höhere Geburtenraten und ein Zuwanderungsplus können nicht verhindern, dass die Bevölkerung des Freistaats kleiner wird.

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Von Gunnar Saft

Was passiert künftig mit Sachsens Bevölkerungszahl? Alle zwei Jahre lässt sich die Dresdner Staatsregierung von Statistikexperten dazu eine detaillierte Prognose erstellen. Jetzt war es wieder so weit und Innenminister Markus Ulbig (CDU), konnte am Dienstag zunächst nur gute Nachrichten verkünden.

So hält im Freistaat das Geburtenhoch der vergangenen Jahre weiter an, und mit dem statistischen Durchschnittswert von 1,57 Kindern pro Frau liegt das Land Sachsen deutschlandweit inzwischen an der Spitze. Der bundesweite Schnitt liegt bei nur 1,47 Kindern und in Ländern wie dem Saarland (1,35), Hamburg (1,41) oder Bayern (1,45) sogar deutlich darunter.

Gleichzeitig haben sich – vor allem durch die rund 60 000 Flüchtlinge, die im Vorjahr nach Sachsen kamen – die Zuwanderungsgewinne deutlich erhöht. Unterm Strich kamen 2015 insgesamt 80 000 Ausländer als Zuzügler in den Freistaat. Das ist viermal mehr als der Mittelwert der vergangenen zehn Jahre.

Und nicht zuletzt kann Markus Ulbig auch auf eine steigende Lebenserwartung verweisen. Sächsische Männer erreichen inzwischen absehbar ein durchschnittliches Alter von 77 Jahren und vier Monaten, Frauen kommen aktuell auf glatt sechs Jahre mehr. Ein Trend, der sich laut der Prognose fortsetzen wird. 2030 könnte demnach die durchschnittliche Lebenserwartung der sächsischen Männer auf 80 Jahre und zwei Monate steigen und die der Frauen auf 85 Jahre und zehn Monate.

Eines schaffen diese positiven Entwicklungen dann jedoch alle nicht: Sachsens Bevölkerungszahl auf Dauer vor dem Schrumpfen zu bewahren. Im September 2015 lag diese noch bei 4,07 Millionen. Frühestens ab dem Jahr 2022, so erklärt Ulbig, spätestens aber 2030 werde man unter die Vier-Millionen-Einwohner-Grenze sinken. Der aktuelle Trend bei Geburten, Zuwanderung und Lebenserwartung schiebe dies nur hinaus, absehbar um etwa zehn Jahre. Das soll heißen, anderenfalls hätte der Freistaat die magische Millionen-Grenze längst schon nach unten durchbrochen.

Trend: Volle Großstädte, leere Dörfer

Der Grund für den Minustrend liegt auf der Hand. Trotz der bundesweit höchsten Geburtenrate sterben auch in Sachsen weiterhin mehr Menschen als geboren werden. Und dieses Defizit wird auch durch die anderen Pluszahlen nicht auf Dauer ausgeglichen. Um die aktuelle Bevölkerungszahl zu halten bzw. zu erhöhen, müsste jede Frau im statistischen Schnitt künftig mindestens 2,1 Kinder zur Welt bringen. Ein Wert, von dem man trotz der vielen familienpolitischen Förderprogramme ganz weit entfernt ist, räumt der Minister ein.

Deshalb bleibt auch Sachsen nichts anderes übrig, als sich rechtzeitig auf die Folgen dieser demografischen Entwicklung einzustellen. Als immer gravierender erweist sich, dass der Anteil der älteren Bürger im Land stetig steigt und die der jüngeren – vor allem im erwerbsfähigen Alter – weiter sinkt. Ein Viertel der Sachsen sind schon heute 65 Jahre und älter. Künftig wird diese Altersgruppe auf rund 1,2 Millionen Menschen steigen. Das Durchschnittsalter der sächsischen Bevölkerung erhöht sich dabei von heute 47,6 Jahren bis 2030 auf absehbar 48,1 Jahre. Das alles hat gravierende Auswirkungen auf die Sozialsysteme und auf den Arbeitsmarkt.

Dazu kommt die ungleiche Verteilung der Bevölkerung. So können zwar die beiden Metropolen Dresden und Leipzig auch in der Zukunft auf steigende Einwohnerzahlen hoffen. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Menschen, die auf dem Land und in den Regionen leben, drastisch ab. So leben schon heute im Einzugsgebiet der drei größten sächsischen Städte auf nur 17 Prozent der Landesfläche 55 Prozent aller Einwohner des Freistaats. Auf dem flachen Land ist genau das Gegenteil der Fall. Hier leben 17 Prozent der Bevölkerung auf 55 Prozent der Landesfläche.

Eine Kluft, die ständig größer wird und für viele Probleme sorgt. So muss zum Beispiel der soziale Wohnungsbau in Städten gefördert werden, anderswo dagegen der Rückbau von Wohnungen. Ähnlich auch der Schulhausbau. Und es gibt weitere Hürden. Dazu gehören die Ver- und Entsorgungssysteme. Dort, wo sie nur noch von wenigen Menschen genutzt werden, steigen Aufwand und Kosten enorm, rechnet der Minister vor.

Von Panik hält er trotzdem nichts. Regelmäßige Bevölkerungsprognosen – die nächste steht 2018 an – hätten schließlich das Ziel, dass man rechtzeitig darauf reagiert. Und nein, die Statistiker hätten noch nicht ausgerechnet, wann die Sachsen bei einem gleichbleibenden Minustrend endgültig ausgestorben sind.