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Sachsen kommt – mit dem Flugzeug, der Bahn oder über Umwege

Wie das zurzeit wachstumsstärkste deutsche Bundesland auch in Südafrika Geld verdienen will.

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© dpa

Von Gunnar Saft, zzt. Johannesburg

Jens Papperitz hat es geschafft. Schon seit zwei Jahren ist der gebürtige Radebeuler dort angekommen, wo die meisten seiner Gäste, die er an diesem heißen Apriltag in Johannesburg empfängt, auch gern einmal hin wollen. Eine Wirtschaftsdelegation aus Sachsen unter Führung von Minister Martin Dulig (SPD) hat sich angemeldet – neugierig auf die erfolgreichen Geschäfte des Landsmannes. Der 50-jährige Papperitz leitet für den Medizintechnikhersteller B. Braun Melsungen die größte Filiale in Südafrika. Allein in Johannesburg beschäftigt das Unternehmen 300 Mitarbeiter, im ganzen Land sind es über 750. Spezialisiert ist B. Braun auf die Produktion und den Vertrieb von Medizinprodukten sowie von Dialysetechnik – Beratung und Service inklusive. Der Markt dafür sei in Südafrika da, diverse Probleme allerdings auch, wie Papperitz offen einräumt. Was vor allem fehle, seien Wissen und Technologie. Die Fülle der Arbeitskräfte in dem afrikanischen Land zahle sich erst aus, wenn auch die Qualifikation der Mitarbeiter stimme. „Und das ist nicht immer einfach.“ Letztlich helfe ein deutscher Exportschlager: die gezielte gewerbliche Ausbildung vor Ort. Inzwischen läuft es daher in Johannesburg mit dem Personal besser, versichert er. Produziert würden gerade stark nachgefragte Produkte für die Dialyse. Zwar alles noch nicht im großen Umfang und auch nicht hochautomatisiert. „Noch ist das eine andere Liga als in Sachsen.“

Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (l.) ist deshalb mit einer Delegation zu Besuch in Johannesburg.
Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (l.) ist deshalb mit einer Delegation zu Besuch in Johannesburg. © SMWA

Der Hinweis auf den Freistaat kommt nicht von ungefähr. Das Unternehmen B. Braun ist auch hierzulande sehr aktiv. In Radeberg unterhält es eine moderne Produktionsstätte für Dialysatoren und produziert zudem in Berggießhübel. Zurzeit entsteht ein neues Werk in Wilsdruff. Darauf legt Papperitz nun seine große Hoffnung. Das Werk brauche man, um auch in Südafrika die Kapazitäten auszubauen. Dann öffnet er eine Kiste, die zum Versand fertig gemacht wird, und holt einen Dialysefilter vom Radeberger Standort heraus. „Ein Spitzenprodukt, wir brauchen hier mehr davon. Deshalb warten wir auch sehnsüchtig auf Wilsdruff.“

Auf die Teststrecke nach Upington?

Der Politikergast hört das gern. „Afrika ist ein Kontinent der Chancen“, wird Sachsens Wirtschaftsminister später als Pressemitteilung in Richtung Heimat senden. Dulig ist überzeugt, dass die anerkannte Berufsausbildung im Freistaat sowie der eigene spezialisierte Mittelstand letztlich nicht nur in Südafrika gefragt sind.

Doch dass es noch Hürden gibt, bevor das eine mit dem anderen zusammenkommt, zeigt sich auch in diesem Fall. Der Sachse Papperitz hat nämlich einen langen Weg hinter sich bis zur Südspitze des chancenreichen Kontinents. Studierte er zunächst an der TU Dresden, zog es ihn nach dem Mauerfall nach Siegen, später nach Bayern und von dort in die weite Welt – zuletzt in die USA und nach Singapur. Das Heimatland ist heute weiter weg als nur knapp zehn Flugstunden. Zwei- bis dreimal im Jahr komme Papperitz zurück zu den Eltern, die in Radebeul leben.

Neue sächsische Anläufe in Richtung Südafrika sollen nun aber viel schneller erfolgen. Wie sich das der Freistaat vorstellt, zeigen die weiteren Termine der Wirtschaftstour – Dulig setzt dabei auf den Verkehr in der Luft und auf der Schiene. So präsentierte man der ACSA, einer staatlichen Holding, die in Südafrika neun Flughäfen bewirtschaftet – darunter den von Johannesburg – eine besondere Offerte. Ein bestehender Kooperationsvertrag mit der Mitteldeutschen Flughafen AG soll gezielt ausgebaut werden. Vorstand Markus Kopp hat es dabei vor allem auf den Airport in Upington abgesehen. Aus Sicht des sächsischen Flughafens Leipzig/Halle, der zuletzt einen neuen Frachtrekord von über einer Million Tonnen pro Jahr erreichte, lockt dort ein einträgliches Zusatzgeschäft. Upington nutzen Autofirmen aus aller Welt, um per Flugzeug neue Modelle einfliegen zu lassen, die auf der nahe gelegenen, supermodernen Teststrecke geprüft werden. Leipzig ist bei diesen Charter-Projekten noch außen vor. „Dabei bieten sich neben unseren technischen Möglichkeiten auf dem Flughafen gerade die sächsischen Autostandorte von BMW, Porsche oder VW für solche Spezialflüge an“, wirbt Kopp bei den ACSA-Verantwortlichen um Unterstützung. In der kommenden Woche will er persönlich in Upington vorsprechen.

Beim sächsischen Klinkenputzen geht es auch immer wieder um die Schiene. In Südafrika ein Top-Thema, seit die ANC-geführte Regierung mit der Fußball-WM 2010 begonnen hat, im eigenen Land ein modernes Zugsystem zu planen und zu bauen.

Sonne satt und ungenutzt

In der Gauting-Provinz, in der auch Johannesburg und die Hauptstadt Pretoria liegen, ist man weit vorangekommen. Nun sollen weitere neue Strecken folgen und alte Trassen saniert werden. Bei der Invest SA, einer direkt der südafrikanischen Regierung angeschlossenen Wirtschaftsfördergesellschaft, sorgen die Hinweise auf das entsprechende Know-how im Freistaat für einen kleinen Erfolg – an sächsische Anbieter geht die Einladung zur „Rail 2017“, eine Fachmesse für den Schienenausbau. Profitieren könnten davon die 52 Unternehmen, die sich im Cluster „Bahntechnik Sachsen“ zusammengeschlossen haben. Auch hier darf der Minister deshalb vor der Presse jubeln: „Ich bin erstaunt, wie konkret unsere Gespräche sind. Die für Südafrika interessanten Themen passen gut zu Sachsen.“ Tatsächlich kündigt die Invest SA eine formale Zusammenarbeit sowie einen Gegenbesuch im Freistaat an.

Möglich wäre eine Zusammenarbeit aber auch im Energiesektor – Südafrikas Masterpläne sehen bis 2050 immerhin Varianten vor, bei denen bis zu 40 Prozent der benötigten Energiemenge aus Sonnen- und Windenergie gewonnen werden könnten. Ein krasses Gegenmodell zur Realität, in der noch 90 Prozent der Energie aus der Kohleverstromung stammen, und in der immer wieder über den Bau von Atomkraftwerken diskutiert wird. Auf die Optionen Sonne und Wind bereitet man sich in Südafrika nichtsdestotrotz vor. Mit dem CSIR wurde ein den deutschen Fraunhofer-Gesellschaften ähnelnder Forschungsverbund geschaffen und mit 200 Millionen Euro unterstützt. Leiter ist Professor Tobias Bischof-Niemz aus Deutschland, der den alternativen Energiequellen in Südafrika riesige Möglichkeiten attestiert. Praktisch demonstrieren will man das auch auf den Forschungscampus nahe Pretoria. Dessen Energiebedarf, der etwa 5 000 bis 6 000 Haushalten entspricht, soll in Kürze durch Solarzellen abgedeckt werden, die ringsum montiert sind. Auch das ist ein Spezialgebiet für sächsische Partner. Bis es so weit ist, wirbt man mit einem Elektro-BMW, der flott auf dem CSIR-Gelände unterwegs ist.

Es soll dann auch immer wieder das Thema Auto bleiben, mit dem Sachsen vor Ort für sich am erfolgreichsten wirbt. Zwar erntet Dulig auf dem Empfang in der deutschen Botschaft Anerkennung. Er verweist darauf, dass Sachsen mit zuletzt 2,7 Prozent Wirtschaftswachstum zu den erfolgreichsten Bundesländern in Deutschland gehört. Der Hinweis, dass der Autobauer Audi einst unter der Marke „Horch“ in Zwickau startete – und damit eigentlich ein Sachse ist – nötigt der großen Runde dann aber doch weit mehr Respekt ab. Dulig nimmt’s gelassen. Zurück ins Hotel geht es am Abend ohnehin mit dem Bus.