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„Rechte Gewalt ist männlich“

Der Osten steht beim Rechtsextremismus besonders im Fokus. Nun gibt eine Studie aus Sachsen Einblick in das Ausmaß rechtsextremer Gewalt. Ein schnelles Ende der Situation ist nicht absehbar.

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© Robert Michael

Dresden. Sachsen will Brennpunkte rechter Gewalt früher erkennen und gegensteuern. Das ist ein Fazit aus einer Studie des Dresdner Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung. „Der Rechtsextremismus ist und bleibt Schwerpunkt der Arbeit unserer Sicherheitsbehörden“, erklärte Innenminister Markus Ulbig (CDU) am Mittwoch.

Es bleibe aber eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft, Rechtsextremisten den Nährboden zu entziehen. Bei der Studie hatten die Forscher rund 460 Mehrfachtäter in Sachsen ermittelt. Davon gelten 70 als sogenannte Intensivtäter - sie haben in den vergangenen zehn Jahren mindestens vier Gewalttaten verübt.

Rechte Ideologie als Reimport

„Man kann nur bekämpfen, was man kennt“, begründete Ulbig das Interesse seines Hauses an der Studie. Die Wissenschaftler hatten dafür Polizeidaten, Gerichtsakten, Medien, nachrichtendienstliche Informationen und Interviews ausgewertet. Demnach gehen zwei Drittel der Intensivtäter in Sachsen geplant vor und unterscheiden sich damit von einem bundesweit geltenden Befund für rechtsextreme Gewalttäter. In ihrem Visier befinden sich vor allem „Alternative, Linke und Studenten“, hieß es. Die Gewalttäter sind meist zwischen 14 und 21 Jahre alt, fast ausschließlich Männer und handeln fast immer in Gruppen.

„Rechte Gewalt ist männlich“, brachte es der Dresdner Professor Uwe Backes auf den Punkt. 42 Prozent der von Intensivtätern verübten Gewalttaten wurden als lebensbedrohlich eingestuft - hier verletzten Täter die Opfer zum Beispiel mit Fußtritten gegen den Kopf. Oft übe der in rechtsextremer Musik verbreitete Hass Einfluss aus.

Nicht selten seien Täter abgesehen von rechter Gewalt auch anderweitig mit dem Gesetz in Konflikt geraten. In vielen Fällen spielten Drogen eine Rolle. Ideologie des NS-Regimes komme heute quasi als Reimport aus dem angelsächsischen Raum nach Deutschland zurück. Als Beleg nannte Backes die „White Power“-Bewegung.

Westliche Aufbauhilfe nutzt günstige Rahmenbedingungen

Backes zufolge gibt es bei dem Gewaltpotenzial ein Ost-West-Gefälle mit einer Häufung im Osten Deutschlands. In Sachsen sei der Anteil rechter Gewalttäter bezogen auf 100 000 Einwohner doppelt so hoch wie im Bundesschnitt. Backes führte als Grund auch Probleme ins Feld, die nach der Wende beim Übergang in die neue Gesellschaft entstanden. Dies habe günstige Rahmenbedingungen für die rechte Szene geschaffen.

Beim Aufbau entsprechender Strukturen habe es „westliche Aufbauhilfe“ gegeben, die hier auf fruchtbaren Boden fiel. „Das sind Phänomene, die nicht von einem Jahr aufs andere verschwinden“, sagte er. Sie würden Sachsen auch in den kommenden Jahren noch beschäftigen. (dpa)