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Rätselraten um Gift in Trauben

Prüfer haben im Goldriesling-Most ein Insektizid gefunden. Doch der Winzer hat es gar nicht eingesetzt.

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© Claudia Hübschmann

Peter Anderson

Meißen. Meißen. Eine Routineprobe hat es ans Licht gebracht. Im Beerenmost einer Charge Goldriesling ist nach der Lese 2015 das Insektengift Dimethoat festgestellt worden. Das sagte am Donnerstag die Präsidentin der Landesuntersuchungsanstalt (Lua) Gerlinde Schneider auf Nachfrage der SZ. Sie wies damit gleichzeitig einen Bericht der Dresdner Neuesten Nachrichten zurück, wonach „Tausende Liter kontaminierten Weins gesperrt worden“ seien.

Schneider betonte gegenüber der SZ, dass die in der EU zulässigen Höchstwerte im Most überschritten waren, aus diesem aber gar kein Wein hergestellt wurde. Unmittelbar nach dem Test habe ihre Behörde das für alles Weitere zuständige Landratsamt Meißen informiert.

Goldriesling ist eine Rarität

Dort bestätigt Sprecherin Kerstin Thöns den Vorfall. Als Konsequenz ordnete das Landratsamt nach der Lese 2015 an, die fragliche Charge Goldriesling nicht weiter zu verarbeiten beziehungsweise zu vernichten. „Aus diesem Grund ging und geht von dem Insektengift keine Gefahr für die Gesundheit der Verbraucher aus“, so Lua-Chefin Gerlinde Schneider.

Um auf Nummer sicher zu gehen, haben die Lebensmittelüberwacher laut Landratsamtssprecherin Thöns mittlerweile Tanks in weiteren Betrieben überprüft. Ergebnisse lägen noch nicht vor. Die Behörden arbeiteten sehr gewissenhaft.

Ausdrücklich begrüßt werden die Kontrollen vom Chef des Sächsischen Weinbauverbandes Christoph Reiner. „Wir Winzer haben keine Angst, dass da in irgendeinem Keller etwas gefunden wird“, so Reiner am Donnerstag. Der sächsische Goldriesling könne weiter ohne Bedenken getrunken werden.

Die jetzt in die Schlagzeile geratene Sorte hat in Deutschland nur noch in Sachsen wirtschaftliche Bedeutung. Für die hiesigen Winzer ist sie daher insbesondere als Touristenattraktion von Bedeutung. Es handelt sich um einen leichten, unkomplizierten Trinkwein, der nicht lange gelagert werden kann. Dies stellt jedoch kein Problem dar, da der Vorrat im Jahr nach der Lese im Anbaugebiet meistens schnell verkauft und getrunken wird.

Giftwolke vom Nachbarfeld?

Nach Ansicht Reiners sollten alle Beteiligten jetzt herausfinden, wie es zu dem Vorfall kommen konnte. Da das in Spuren nachgewiesene Insektizid in anderen Bereichen der Landwirtschaft regulär zum Einsatz kommt und zudem im letzten Jahr eine Notfallgenehmigung für Süßkirschen bestand, sei ein Abdriften des Pflanzenschutzmittels wahrscheinlich.

Bei Dimethoat handelt es sich um ein starkes Nervengift, welches erstmals 1962 in den USA zugelassen wurde. Eingesetzt wird es unter anderem gegen Schädlinge wie Blattläuse, Zikaden, Wanzen aber auch Hausfliegen. Das Mittel ist als gefährlich für Bienen eingestuft. In der DDR war es ein wichtiger Bestandteil im Schädlingsbekämpfungsmittel Bi 58 aus dem VEB Chemiekombinat Bitterfeld.

Der betroffene Winzer, dessen Name dem Weinbauverband nicht bekannt ist, hat das Mittel nach Auskunft des Landratsamtes selbst nicht benutzt. Es liegt daher nahe, dass es zum Beispiel auf einer benachbarten Fläche beim Obstanbau verwendet wurde.

Gestärkt wird diese These von Aussagen der Lua-Chefin Bettina Schneider. Sie sagte am Donnerstag der SZ, dass ihre Anstalt nach einem festen Plan regelmäßig die Inhaltsstoffe des sächsischen Weines prüfe. Noch nie zuvor habe es dabei ein solches Ergebnis gegeben.

Ähnlicher Fall in Mahlitzsch

Der Fall erinnert an einen Umweltskandal im September 2014. Damals war eine Giftwolke vom Nachbarfeld eines konventionell wirtschaftenden Landwirtes über die Bio-Kulturen des bio-dynamisch arbeitenden Demeter-Hofes Mahlitzsch nördlich von Nossen gewabert. Ein Großteil der Gemüseernte war hinüber. Der Bauer, der damals Winterraps ausgesät hatte, wollte das Unkraut mit dem Breitbandherbizid Clomazon wegspritzen. Doch ein Mitarbeiter des Betriebes missachtete die vorgeschriebenen Mindestabstände und Ausbringungsregeln für das Pflanzengift.

Bei dem Vorfall entstand den Bio-Bauern ein Schaden von insgesamt 70 000 Euro, und zwar 50 000 für den Verlust von Gemüse und 20 000 Euro für Ausfälle, zusätzlichen Aufwand des Bio-Hofes, für Boden-Analysen und anderes. Zumindest große Teile davon wurden schließlich von der Versicherung übernommen.

In den Monaten unmittelbar nach der Verseuchung waren die Öko-Bauern in eine schwierige Finanzlage geraten, weil ihnen die Einnahmen aus der Gemüseernte 2014 fehlten.