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Radio-Hörer verweigert „Fernseh-Steuer“

Ein Dresdner Rentner klagt gegen den Rundfunkbeitrag. Weil er nicht fernsieht, empfindet er die von allen Haushalten geforderte pauschale Pflichtzahlung als ungerecht.

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© Alexander Schneider

Von Alexander Schneider

Würden sie Hundesteuer zahlen, obwohl sie weder einen Vierbeiner haben oder vielleicht sogar allergisch auf diese Tiere reagieren? So groß ist die Tierliebe nicht. Ähnlich geht es vielen Dresdnern mit dem Fernsehen. Fürs Radiohören allein haben sie freiwillig ihre GEZ-Gebühren gezahlt, behaupten sie jedenfalls. Nachdem ab 2013 jedoch jeder Haushalt pauschal mit derzeit monatlich 17,50 Euro für Radio- und Fernsehangebote des öffentlichen Rundfunks zur Kasse gebeten wird, regt sich Widerstand an den Elbhängen.

Jeden letzten Sonnabend im Monat trifft sich die „Gruppe der Fernsehlosen Dresdens“ mittags um 13 Uhr in Räumen des Ökumenischen Informationszentrums – und einer von ihnen macht jetzt Ernst. Gerold Anderssohn, ein 77-jähriger Ingenieur im Ruhestand, klagt am Verwaltungsgericht Dresden gegen die von ihm als „Steuer“ empfundene Ungerechtigkeit. Am Dienstag sorgte er für einen vollen Saal im Verwaltungsgericht Dresden, wo mehrere Dutzend Mitstreiter Anderssohns, darunter viele Rentner, die mit Bedacht vorgetragene Klagebegründung beklatschten.

Kläger Anderssohn argumentiert, der Beitrag sei eine Steuer, denn jeder Haushalt sei davon betroffen, ob er nun wolle oder nicht – Single- wie Mehrpersonenhaushalte gleichermaßen. Alle müssten nun zahlen, ob sie nun TV-Konsumenten seien oder, wie Anderssohn, ausschließlich Radio hörten. „Den Radiobeitrag hab ich früher gern gezahlt“, sagte er und holte aus zum Schlag gegen die Unterhaltungsindustrie: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk verschlinge jährlich 8,5 Milliarden Euro, diese TV-Anstalten strahlten pro Jahr 19 Jahre Programm aus: „Größtenteils Unterhaltung!“ Fernzusehen führe jedoch zur geistigen Inaktivität.

Das sei sinnlos, marktwirtschaftlich nicht zu vertreten und werde von ihm als schädlich und belastend empfunden. Bei anderen „Beiträgen“, etwa für Strom oder Wasser sei das anders. Das Programm habe angesichts dieser Unterhaltungsbreite auch wenig mit der im Grundgesetz garantierten Informationsfreiheit zu tun, so Anderssohn. „Dafür 200 Euro im Jahr zu zahlen ist eine schreiende Ungerechtigkeit.“ Er appellierte an den Mut des Gerichts, die Klage gleich an das Bundesverfassungsgericht weiterzuleiten.

Richter Andreas May, der Vorsitzende des 2. Senats, hatte Mühe, die Verhandlung im tosenden Applaus nicht abgleiten zu lassen: „Das ist hier keine Unterhaltungsveranstaltung.“ Fragen des Publikums ließ er nicht zu. Gleichzeitig machte May dem Kläger Anderssohn jedoch wenig Hoffnung, die Klage zuzulassen. Die Entscheidungen des Gerichts seien im Einklang der gängigen Rechtsprechung. Dennoch werde sich das Gericht mit Anderssohns Argumenten auseinandersetzen. Der Anwalt des beklagten MDR forderte, die Sache abzuweisen.

Ein anderer Kläger hatte zuvor mehr Glück. Das Gericht befreite den Sozialhilfeempfänger aufgrund seiner prekären Finanzen von dem Beitragszwang. Der MDR-Vertreter sicherte in dem Vergleich zu, sogar auf die Hälfte der offenen Forderungen von 101 Euro zu verzichten.