Merken

Radebeul abgehängt

Eine deutschlandweite Städtestudie sieht die Stadt an der Elbe auf einem der hinteren Plätze. Die SZ hat nachgefragt, was genau los ist.

Teilen
Folgen
NEU!
© Arvid Müller

Von Nina Schirmer

Radebeul. Es gibt viele gute Nachrichten, die in Radebeul seit einigen Jahren verkündet werden. Die Stadt wächst und junge Familien lassen sich gern hier nieder. Neue Wohnungen werden gebaut. Auch positiv: Die Zahl der Arbeitslosen ist gesunken und die Steuereinnahmen der Stadt sind hoch. Nicht zuletzt deshalb, weil ein größerer Teil der Bevölkerung vermögend ist. Goldstaubviertel ist nur einer der Begriffe, der in diesem Zusammenhang öfter fällt.

Doch ganz so gut, wie es diese Trends vermuten lassen, geht es der Stadt offenbar nicht. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie, die die Perspektiven deutscher Städte analysiert hat. Radebeul landet dort auf einem der hinteren Plätze und fällt in die Kategorie der „Abgehängten“. Durchgeführt hat die Untersuchung die Contor GmbH, ein Unternehmen, das Firmen bei der Standortsuche berät. Sämtliche Städte in Deutschland mit mehr als 10 000 Einwohnern wurden anhand von 34 Indikatoren analysiert und einer von sieben Clustern zugeordnet. Die SZ hat den Autor der Studie, Henner Lüttich, gefragt, warum Radebeul in der schlechtesten Kategorie gelandet ist.

Bevölkerungsentwicklung: leichter Zuwachs in den letzten Jahren

Verglichen mit den anderen 169 Städten in der Kategorie der Abgehängten steht Radebeul, was die Bevölkerungsentwicklung zwischen 2010 und 2014 angeht, gut da. Verloren die anderen Gemeinden des Clusters im Durchschnitt 4,5 Prozent ihrer Einwohner, gab es in Radebeul sogar einen Zuwachs von 0,4 Prozent, erklärt Lüttich und stützt sich auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Die Prognose des Bundesamtes für Bauwesen und Raumforschung bis 2035 sei hingegen dramatisch. Demnach verliert Radebeul 14 Prozent seiner Einwohner. Hier liegt jedoch eine Schwäche der Studie. Die 14 Prozent beziehen sich auf den gesamten Landkreis. Auf den Dörfern dürfte der Bevölkerungsverlust allerdings deutlich größer sein als in Radebeul mit seiner Nähe zu Dresden.

Altersstruktur: mehr Senioren als im deutschlandweiten Durchschnitt

Fast 19 Prozent der Radebeuler sind unter 20 Jahre alt. Das sei ein vergleichsweise guter Wert, sagt Lüttich. Gleichzeitig sei der Anteil der über 65-Jährigen mit 25 Prozent höher als der gesamtdeutsche Durchschnitt von 22 Prozent. „Eine Tendenz zur Überalterung ist nicht zu übersehen“, erklärt der Studienautor. „Radebeul ragt zwar in seiner Kategorie heraus, unterscheidet sich aber noch nicht positiv vom Gesamtbild in Deutschland.“

Wirtschaft: hoher Steuersatz für Gewerbetreibende, wenig Investitionen

Der Gewerbesteuerhebesatz liegt in Radebeul bei 400 Prozent und damit noch über dem bundesweiten Durchschnitt. Die Gemeinde erhält also vergleichsweise hohe Steuereinnahmen, setzt sich aber auch der Gefahr aus, weniger attraktiv für Gewerbetreibende zu sein. In Radebeul sind vergleichsweise viele Leute im verarbeitenden Gewerbe tätig, sagt Lüttich. Im Handel sei die Zahl der Beschäftigten durchschnittlich. Bei den Investitionen und dem Bruttoinlandprodukt (BIP) liegt Radebeul wieder unter dem Durchschnitt. Auch bei diesen beiden Indikatoren arbeitet die Studie jedoch mit Zahlen aus dem Landkreis. Das bedeutet, dass andere Gemeinden Radebeul in seiner Bewertung wahrscheinlich mit runterziehen. Das BIP habe sich in den letzten Jahren in der Region jedoch überproportional gesteigert.

Fazit: Radebeul ist ein Grenzfall in seiner Kategorie

Betrachtet man Radebeul in einem kleineren Umkreis, steht die Stadt vergleichsweise gut dar, sagt Lüttich. „Vergleicht man die Stadt aber mit prosperierenden Gemeinden in Baden-Württemberg, sieht das ganz anders aus.“ In der schlechten Kategorie der Abgehängten sei Radebeul bei vielen Punkten ein Grenzfall. Das gilt beispielsweise auch für soziale Indikatoren wie die Kriminalitätsrate oder die Zahl der Insolvenzverfahren. Hier bewege sich Radebeul eher im bundesweiten Durchschnitt, sagt der Autor der Studie.