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Flüchtlinge verlassen Praktiker

Der ehemalige Baumarkt in Heidenau, der wegen heftigen Krawallen von Asylgegnern in den Schlagzeilen war, wird zum Lager umfunktioniert. Die letzten Bewohner sollen Ende Juni ausgezogen sein.

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© Dirk Zschiedrich

Von Heike Sabel

Heidenau. Bis zu 700 Flüchtlinge im einstigen Praktiker-Baumarkt in Heidenau und vor der Tür Krawalle von Asylgegnern. Diese Bilder vom August vergangenen Jahres werden in Erinnerung bleiben. Damals war der leerstehende Baumarkt fast über Nacht zur Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende geworden, jetzt steht das Ende bevor. Gerade einmal 14 Menschen sind derzeit noch in der riesigen Halle untergebracht, Ende Juni werden die letzten Flüchtlinge ausgezogen sein. Das hat am Freitag das sächsische Innenministerium verkündet. Pirnas DRK-Kreischef, der CDU-Landtagsabgeordnete Oliver Wehner, informierte die 50 Mitarbeiter der Erstaufnahme-Einrichtung am Freitag in einer Belegschaftsversammlung. Das DRK betreut die Flüchtlingsunterkunft. Ab Juli soll der Praktiker zunächst als Lager für den DRK-Landesverband genutzt werden. „Diese Nutzung erachte ich als sehr sinnvoll, da wir Spenden und Material verantwortungsvoll zwischenlagern wollen“, sagt Wehner. Künftig könnte der Ex-Baumarkt einer von drei sächsischen Katastrophen-Stützpunkten sein. Dafür eigne sich der Standort logistisch gut. Die mittel- und langfristige Nutzung sei dann mit dem Freistaat als Eigentümer sowie der Stadt Heidenau zu klären, so Wehner.

Nach wie vor gibt es einen Bebauungsplan für das Objekt, das nur einen Bau- und Gartenmarkt erlaubt. Für die Nutzung als Flüchtlingsunterkunft gab es eine Ausnahme, die bis maximal August 2018 gilt. Baurechtlich hat Wehner jedoch keine Bedenken. Die geplante Fußgängerinsel zur besseren Überquerung der S 172 soll wie geplant gebaut werden. Sie war schon in den 1990er-Jahren gefordert und diskutiert und nun mit den Flüchtlingen wieder aktuell geworden. Baubeginn soll in Kürze sein.

Was aber wird aus der großen Belegschaft, die in Heidenau die Flüchtlinge betreute? Den DRK-Mitarbeitern werden Qualifizierungsangebote gemacht mit der Option, in anderen Bereichen wie dem Rettungsdienst oder auch in Kindertagesstätten zu arbeiten, erklärt Oliver Wehner. Auch der Einsatz in anderen Erstaufnahme- oder Flüchtlingseinrichtungen werde geprüft, so der DRK-Kreisvorsitzende. Von einigen Beschäftigten werde das durchaus als Chance gesehen. Das DRK hatte wie andere Hilfsorganisationen im vergangenen Jahr extra Leute für die Flüchtlingsbetreuung eingestellt, zum Großteil befristet.

Wehner hatte sich die vergangenen Monate um eine Lösung für den Praktiker bemüht. Er stand im Wort. Im August 2015 hatte er gesagt, bei der Nutzung des Baumarktes als Flüchtlingsunterkunft handele es sich um eine Übergangslösung von maximal einem Jahr. Daran glaubte wohl angesichts der damaligen Flüchtlingszahlen keiner. Doch der Zustrom ist aktuell drastisch gesunken, erste Einrichtungen wurden bereits geschlossen. Für umso mehr Unverständnis sorgte Anfang April die Ankündigung des Freistaates, in den Praktiker noch einmal eine Million Euro zu investieren, um ihn bis 2018 als Unterkunft zu betreiben. Unter anderem sollte ein fester Zaun um das Objekt gezogen werden. Die Million und der Zaun sind nun vom Tisch.

Die Unterhaltung des Baumarktes als Flüchtlingsunterkunft war aufgrund der hohen Räume, der großen Glasflächen sowie der im Außenbereich aufgestellten Sanitäranlagen sehr teuer, sagt Oliver Wehner. Zudem sei der hohe Personaleinsatz wirtschaftlich nicht mehr vertretbar gewesen. Dass nun noch eine Million Euro in ein offensichtlich unwirtschaftliches Objekt investiert werden sollte, sei vor dem Steuerzahler nicht mehr zu rechtfertigen gewesen, sagt Wehner. Heidenau ist unterdessen nicht die einzige Erstaufnahme-Einrichtung, deren Schließung unmittelbar bevorsteht. Bis zum 30. April geht in Leipzig die Interimsunterkunft auf dem Gelände der Studienakademie vom Netz. Hier endet der Vertrag mit dem Vermieter der Zelte. Aktuell betreibt der Freistaat Sachsen an 36 Standorten Einrichtungen zur Erstaufnahme von Flüchtlingen. Die Gesamtkapazität liegt bei rund 18 000 Betten. Der Flüchtlingszustrom hat sich zuletzt allerdings stark verlangsamt. Im ersten Quartal 2016 kamen laut Innenministerium 6 107 Flüchtlinge.