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Posse ums Kindergeld

Eine junge Frau aus dem Landkreis Meißen möchte das Kindergeld auf ihr eigenes Konto haben. Und bekommt erst mal gar nichts mehr.

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© Claudia Hübschmann

Von Jürgen Müller

Anne H.* aus Krögis im Landkreis Meißen, ist mit den Nerven am Ende. Die Familienkasse schuldet ihr 1 140 Euro. Es ist das Kindergeld für ihre älteste Tochter, eine staatliche Leistung, die ihr zusteht und nicht vom Wohl und Wehe der Familienkasse abhängt. Die hat ihr sogar bestätigt, dass Frau H. das Geld bekommt. Und zahlt trotzdem nicht.

„Meine Tochter musste sich verschulden. Ich kann ihr das Geld nicht zahlen, ich habe doch selbst nicht viel“, sagt die Krögiserin. Allein in den vergangenen Tagen hat sie die Familienkasse neunmal angerufen. „Jedes Mal landet man in einer Hotline, immer ist ein anderer Mitarbeiter dran. Und die rechte Hand weiß nicht, was die linke tut“, schimpft die Frau. „Es kann nicht sein, dass sich das so ewig hinzieht“, sagt sie. Im September wurde Kindergeld gezahlt. Jedoch nur für das jüngere Kind. Das Geld für die ältere Tochter fehlte wieder.

Nun steht Kindergeld nicht den Kindern, sondern den Eltern zu. Und so erhielt Frau H., die vom leiblichen Vater der ältesten Tochter getrennt ist und das alleinige Sorgerecht für ihre Tochter hat, dieses Geld bisher immer auf ihr Konto ausgezahlt. Im Dezember vorigen Jahres bezog die Tochter, die noch bis zum August dieses Jahres eine Ausbildung machte, eine eigene Wohnung. Und wollte das Kindergeld von der Familienkasse mit Zustimmung der Mutter auf ihr eigenes Konto überwiesen haben. „Abzweigung“ nennt man so was, und es ist allgemein üblich. Doch die Familienkasse lehnte den Antrag ab. Aber nicht nur das. Frau H. bekam Anfang März einen Bescheid, dass sie nicht mehr kindergeldberechtigt sei.

Die Auszahlung des Kindergeldes könne auch direkt auf ein Konto des Kindes erfolgen, sagt Heiko Wendrock, Pressesprecher der zuständigen Arbeitsagentur Chemnitz. Unabhängig davon blieben die Eltern die Kindergeldberechtigten. Ein Abzweigungsantrag könne gestellt werden, wenn Eltern dem Kind gar keinen oder weniger Unterhalt zahlen, als das Kindergeld selbst beträgt. Die Tochter habe in ihrem Antrag angegeben, dass die Mutter keinen Unterhalt und der Kindesvater Unterhalt in Höhe von 50 Euro monatlich leiste. Das Kindergeld erhält vorrangig derjenige Elternteil, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Lebt das Kind nicht im Haushalt eines Elternteils, so erhält derjenige das Kindergeld, der dem Kind den höheren Barunterhalt zahlt. In dem Fall also der Vater. Doch der bekam nichts, weil er nie Kindergeld beantragt hatte. Die Mutter erhielt nichts mehr, weil sie nicht mehr kindergeldberechtigt sei. Und die Tochter auch nicht, denn ihr Antrag auf Abzweigung wurde ja abgelehnt. So wurde gar kein Kindergeld mehr gezahlt.

Mit Schreiben vom 9. März habe die Mutter Einspruch gegen die Aufhebung des Kindergeldes eingelegt und angegeben, den höheren Barunterhalt für die Tochter zu leisten. Der Mutter wurde daraufhin ein Antrag auf Kindergeld zugeschickt. Nahezu parallel habe die Tochter erneut einen Abzweigungsantrag gestellt und nunmehr angegeben, dass der Vater 50 Euro und die Mutter 52 Euro Unterhalt leisteten. „Durch die Familienkasse Sachsen war daher über den eingelegten Einspruch der Mutter und auch über den Einspruch der Tochter zu entscheiden“ , erklärt der Sprecher die lange Bearbeitungszeit.

Nach monatelangen Auseinandersetzungen wurde Anfang August der Bescheid aufgehoben, Frau H. mitgeteilt, dass ihr Kindergeld zusteht. Doch gezahlt wurde es bis heute nicht .Es müsse noch über den Einspruch der Tochter und über deren Abzweigungsantrag entschieden werden, so der Sprecher. Danach sei noch eine Frist abzuwarten. Beide Bescheide würden erst nach vier Wochen rechtskräftig.

In dieser Woche nun soll das noch ausstehende Kindergeld für die Monate März bis August ausgezahlt werden. Verzugszinsen können nicht geltend gemacht werden, so Pressesprecher Heiko Wendrock. Hierfür gäbe es keine rechtliche Grundlage.

*(Name von der Redaktion geändert)