Merken

Platzmangel im Gefängnis

Die Zellen in den Justizvollzugsanstalten Bautzen und Görlitz sind voll belegt – auch weil die Zahl der Ausländer hinter Gittern steigt.

Teilen
Folgen
NEU!
© Uwe Soeder

Von Jana Ulbrich und Thomas Staudt

Miloslaw H. aus Schluckenau wird jetzt wieder eine Weile im Gefängnis wohnen. Das Amtsgericht Bautzen hat den Tschechen diese Woche wegen schweren und bandenmäßigen Diebstahls zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Die wird der 58-Jährige wieder in Bautzen absitzen. Das Gefängnis kennt er schon. Und es gefällt ihm gut, hat er dem Richter erzählt. Viel besser ist es da als zu Hause in Šluknov, wo er nämlich gar kein Zuhause hat.

Wenn Miloslaw H. Glück hat, ist sogar eine Einzelzelle für ihn frei: neun Quadratmeter, eigene Toilette und Waschecke, Regal, Schreibtisch, Fernsehanschluss, Telefon. Was braucht er mehr? Im Gefängnis kann er auch arbeiten und Geld verdienen, freut er sich. Um die 1,50 Euro pro Arbeitsstunde erhalten die Strafgefangenen. Die meisten nutzen die freiwilligen Arbeitsmöglichkeiten in der Tischlerei, im Garten- und Landschaftsbau, in der Hauswerkstatt, der Küche, der Wäscherei, der Schlosserei oder dem Auto-Pflegeservice. – Miloslaw H. aus Schluckenau wird in Bautzen auch auf Landsleute treffen. Mehr als 20 Tschechen, die in Ostsachsen straffällig geworden und von einem hiesigen Gericht verurteilt worden sind, sitzen gegenwärtig in der Justizvollzugsanstalt ein. Außerdem mehr als 20 Polen, mehr als 20 Tunesier und Strafgefangene aus 21 weiteren Nationen. Ihre Zahl wächst weiter. Waren vor zwei Jahren noch 18 Prozent der Gefangenen Ausländer, ist ihr Anteil in Bautzen inzwischen auf 27 Prozent gestiegen.

Das, sagt Anstaltsleiter Bernhard Beckmann, macht die ohnehin schon angespannte Situation in der JVA noch schwieriger. Denn die 414 Haftplätze im Bautzener Gefängnis sind, wie auch in den meisten anderen sächsischen Gefängnissen, voll belegt. Auf den Stationen gibt es da kaum noch große Spielräume, um auf Befindlichkeiten und Gepflogenheiten Rücksicht nehmen zu können, erklärt Beckmann. Dabei tut das Personal, was es kann. Sogar der Ramadan findet gerade Beachtung, bei dem streng gläubige Muslime erst nach Einbruch der Dunkelheit essen.

Auch die JVA Görlitz ist voll. Übervoll. Ausgelegt ist die Anstalt für insgesamt 209 Gefangene. Anfang Juli liegt die Belegung bei 225 Häftlingen. Die Schwankungen sind hoch. Zugänge und Entlassungen wechseln im täglichen Rhythmus. Die Justizvollzugsanstalt ist nicht nur für den Dauervollzug zuständig, sie nimmt auch Untersuchungshäftlinge auf. „Ich kann niemanden ablehnen, der zu uns geschickt wird und muss gegebenenfalls parallel versuchen, andere Gefangene in andere Vollzugsanstalten zu verlegen“, sagt Anstaltsleiter Frank Hiekel.

Seit zwei Jahren nimmt die Zahl der Gefangenen in der JVA Görlitz spürbar zu. Mehr noch. Seit einem Jahr weist die Tendenz steil nach oben, sagt Hiekel. Das sei vor 2015 noch ablesbar anders gewesen. Zu einer weiteren Verschärfung der Situation haben aktuell die verstärkten Kontrollen im Vorfeld des Hamburger G 20-Gipfels beigetragen. Mehr Kontrollen, mehr Aufgriffe, mehr Zuweisungen – weniger Platz.

Der Ausländeranteil in der Grenzstadt ist traditionell hoch. Momentan liegt er bei rund 50 Prozent Die Gefangenen kommen aus 24 Ländern. Ein Problem sieht der weltoffene Hiekel darin nicht. „Ich reise viel und habe selbst keine Berührungsängste.“ Genau diese Haltung, versucht er den 80 Vollzugsbeamten zu vermitteln. Sie sollen den Gefangenen im täglichen Betrieb möglichst vorbehaltlos gegenübertreten. Viele von ihnen haben gute Fremdsprachenkenntnisse. So manches Verständigungsproblem lässt sich mit Händen und Füßen lösen. Wenn es anders nicht geht, können Übersetzer hinzugezogen werden.

Der Bautzener Anstaltsleiter Bernhard Beckmann geht davon aus, dass sich die angespannte Situation so schnell nicht ändert. Sogar die Möglichkeiten einer Notfallbelegung sind schon ausgelotet, bei der die etwas größeren Zellen noch um ein Bett aufgestockt werden könnten. Davon musste die JVA aber noch nicht Gebrauch machen. Bisher haben sich die Haftanstalten immer noch untereinander aushelfen können, wenn gerade kein Bett frei war, sagt Beckmann.

Um die Lage in den Gefängnissen zu entspannen, will Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) jetzt verstärkt darauf setzen, ausländische Gefangene in die Haftanstalten ihrer Heimatländer zu überstellen. Das aber scheint leichter gesagt als getan. Seit 2016 gibt es zwar ein entsprechendes Rechtsabkommen zwischen den Ländern, das eine solche Möglichkeit eröffnet, aber die Verwaltungsverfahren dauern, und die Mühlen der Bürokratie mahlen langsam. So konnten aus dem Bautzener Gefängnis bisher nur zwei zu langjährigen Haftstrafen verurteilte Männer aus Tschechien in ein tschechisches Gefängnis überstellt werden – einer im Januar 2016, der andere im März 2017. Im Sächsischen Justizministerium ist man aber zuversichtlich, dass sich die Wege dafür bald besser einspielen, sagt Sprecher Jörg Herold. Landesweit würden zurzeit mehr als 50 solcher Überstellungsverfahren laufen. Aber mehr noch als um Polen und Tschechen geht es der sächsischen Justiz vor allem um Straftäter aus den Maghreb-Staaten.

Nicht unwesentlich ist das auch eine Frage des Geldes: Nach Auskunft Beckmanns kostet ein Strafgefangener in einem sächsischen Gefängnis rund 100 Euro pro Tag. Miloslaw H. aus Schluckenau weiß das sicher nicht. Er hofft inständig, dass er nicht zu denen gehören wird, die ihre Strafe irgendwann im Heimatland absitzen müssen. Die Gefängnisse in Tschechien, sagt er, sind viel schlechter.