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Pillen-Hormone in der Elbe

Der Fluss ist an sich sauber. Restmedikamente zu entfernen, kostet allerdings Millionen.

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© Symbolbild/dpa

Landkreis Meißen. Die Qualität des Elbwassers hängt maßgeblich auch davon ab, wie das Abwasser aus Dresdner Haushalten behandelt wird. Die SZ sprach mit den Geschäftsführern der Dresdner Stadtentwässerung Gunda Röstel und Johannes Pohl über Probleme, Lösungen und Perspektiven.

Johannes Pohl steht seit 1994 an der Spitze der Stadtentwässerung. Der 64-Jährige ist der technische Geschäftsführer.
Johannes Pohl steht seit 1994 an der Spitze der Stadtentwässerung. Der 64-Jährige ist der technische Geschäftsführer. © Sven Ellger
Gunda Röstel leitet seit 2004 als kaufmännische Geschäftsführerin die Stadtentwässerung Dresden. Die 54-Jährige ist Diplom-Lehrerin.
Gunda Röstel leitet seit 2004 als kaufmännische Geschäftsführerin die Stadtentwässerung Dresden. Die 54-Jährige ist Diplom-Lehrerin. © Sven Ellger

Die Stadtentwässerung hat seit 1990 Millionen in den Ausbau des Klärwerks Kaditz investiert. Wie zahlt sich das für die Sauberkeit der Elbe aus?

Pohl: Das kann man beim Elbeschwimmen sehen. Obwohl die Elbe kein Badegewässer ist, kann man gefahrlos in ihr baden. Wir halten alle Werte ein, die vorgeschrieben sind. Und das nicht nur beim Ablauf aus der Kläranlage, sondern auch beim Abschlag aus dem Kanalnetz bei Starkregen.

Röstel: Man kann sagen: von null auf fünfzig. Zur Wende gab es null Leben in der Elbe. Heute haben wir dort wieder 50 Fischarten. Die Elbe ist deshalb ein Bilderbuch-Beispiel für das Zusammenwirken von Politik, Bürgern und einem Abwasserunternehmen wie der Stadtentwässerung Dresden.

Allerdings gibt es neue EU-Vorschriften, die höhere Standards fordern. Was bedeutet das für die Stadtentwässerung?

Röstel: Es gibt eine neue Richtlinie – die sogenannte Liste prioritärer Stoffe – verbunden mit Umweltqualitätsnormen, die sich im nationalen Recht in der Oberflächengewässerverordnung niederschlägt. Im Moment erreichen wir alle Grenzwerte. Für die Zukunft stellt sich aber die enorme Herausforderung, wie Hormone oder Antibiotika aus der Human- und Veterinärmedizin, aber auch Rückstände aus der Chemie-, Agrar- und Pharmaindustrie herausgefiltert werden können. Möglicherweise kommen mit einer Gesetzesnovellierung in zwei bis drei Jahren neue Grenzwerte.

Was bedeutet das?

Röstel: Da stellt sich die Frage: Müssen wir am Ende der Kette immer nachrüsten, was für Bürger und Unternehmen viel Geld kostet? Oder ergibt es nicht viel mehr Sinn, Einträge ins Abwasser zu senken? Etwa 40 Prozent aller Restmedikamente, die veraltet sind oder von Patienten nicht genommen werden, wandern heute in die Toilette und gehen in die Oberflächengewässer. Eine richtige Entsorgung würde helfen.

Sie sprachen gerade Arzneimittel-Rückstände an, die in die Elbe fließen. Trifft das auch für Östrogene aus der Antibabypille zu?

Röstel: Ja, Hormone können heute nicht gezielt herausgefiltert werden. Es gibt keine Technologie, die sie zu 100 Prozent zurückhält, auch der Bau einer vierten Reinigungsstufe für solche Mikroschadstoffe mit Kosten von 40 bis 50 Millionen Euro löst das Problem nicht grundsätzlich.

Pohl: Hinzu kommt ein erheblicher Mehrbedarf an Energie. Mit rund 25 000 Megawattstunden bilden wir heute den Verbrauch einer mittelgroßen Stadt ab.

Welche Konsequenzen hat es, wenn solche Arznei-Rückstände und ähnliche Chemikalien in die Elbe fließen?

Röstel: Wir wissen heute noch viel zu wenig über Mikro- oder Spurenstoffe. Es gibt Studien, die Veränderungen aufgrund von Hormonen bei Fischen nachgewiesen haben. Ob es zu weiteren nennenswerten Beeinflussungen durch Mikroschadstoffe im Fließ- oder Oberflächengewässer kommt, können wir derzeit nicht sagen. Die Wissenschaft ist an diesem Thema dran. In einem Anfang 2016 gestarteten Forschungsvorhaben haben sich die Abwasserunternehmen in Plauen, Chemnitz und Dresden unter der Federführung der TU Dresden zusammengetan, um in den Flüssen Weiße Elster, Chemnitz, Mulde und Elbe ein Stoffflussmodell zu entwickeln. Das simuliert die Belastung durch Mikroschadstoffe. Nicht ganz unwichtig wird für uns dieses Projekt auch deshalb sein, weil Alternativen zu einer 4. Reinigungsstufe bewertet werden sollen. Wir hoffen, ab Mitte 2017 erste aussagekräftige Ergebnisse präsentieren zu können.

Das Gespräch führte Peter Hilbert.