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Kippt der Birkwitzer Kiessee?

Das Nährstoff-Überangebot könnte den See kippen lassen – und zwar schneller als bisher angenommen.

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© Archivfoto: Daniel Förster

Von Christian Eissner

Pirna. Wird man nächstes Jahr im Birkwitzer Kiessee überhaupt noch baden können? Diese Frage stellt der Pirnaer SPD-Stadtrat Ulrich Kimmel, nachdem ihm aktuelle Messergebnisse zur Wasserqualität des beliebten Badesees vorliegen. Die Sorgen scheinen berechtigt.

Kimmel liegen Daten des Instituts für Siedlungs- und Industriewasserwirtschaft der Technischen Universität Dresden vor. Das Institut hatte das Wasser des Sees auf eigene Initiative untersucht. Die Anregung dafür kam laut Kimmel von Frau Dr. Heike Brückner, einer leitenden Mitarbeiterin des Instituts, die selbst in Birkwitz-Pratzschwitz wohnt. Besonders ins Auge gefallen sei bei der Messung ein Wert: Laut TU weist die entnommene Probe einen Phosphor-Gehalt von zehn Milligramm pro Liter Wasser auf. Wie hoch dieser Wert ist, mache ein Vergleich deutlich, so Kimmel: Der zulässige Phosphor-Wert für die Einleitung von Abwässern aus Kläranlagen in fließende Gewässer beträgt ein mg/l.

Wasserqualität könnte sich drastisch verschlechtern

„Da es sich beim Kiessee um ein stehendes Gewässer handelt und die Kieswerke Borsberg GmbH eine wasserrechtliche Genehmigung zur Nutzung von bis zu 900 000 Kubikmeter Wasser pro Jahr haben, muss davon ausgegangen werden, dass sich in den nächsten Monaten die Wasserqualität des Sees dramatisch verschlechtert“, resümiert Kimmel. Schon im Frühjahr 2016 werde es „unweigerlich zum sogenannten biologischen Umkippen des Sees“ kommen. Eine Nutzung als Badegewässer sei dann in der gegenwärtigen Form nicht mehr möglich.

Woher der hohe Phosphatgehalt rührt und ob er mit der schon lange kritisierten Nutzung des See-Wassers durch die Borsberg-GmbH zusammenhängen könnte, ist unklar. Das Unternehmen nutzt das Wasser zum Kies-Spülen und leitet es danach wieder in den See ein – versetzt mit feinen Sedimenten. Seit Jahren beklagen See-Nutzer eine zunehmende Verschlammung des Gewässers. Im Sommer hatten Orientierungstaucher zum ersten Mal einen traditionsreichen Wettkampf an dem früher stets klaren Gewässer absagen müssen. Als die Taucher den Wettkampf-Kurs am Seegrund mit Bojen markieren wollten, gaben sie auf – wegen äußerst schlechter Sicht und einer großen Zahl Schlingpflanzen.

Ein über längere Zeit hoher Phosphor-Eintrag entfaltet in Gewässern eine starke Düngewirkung, es kommt in der Folge zur sogenannten Eutrophierung: Wasserpflanzen und Algen beginnen zu wuchern, abgestorbenes organisches Material sinkt zu Boden und wird dort unter Sauerstoff-Verbrauch zersetzt. Der Gewässergrund verschlammt, der Sauerstoffgehalt im Wasser nimmt immer weiter ab – bis das ökologische Gleichgewicht zerstört ist. Der See „kippt“, das heißt, Wasserpflanzen und Tiere finden keine ausreichend guten Lebensbedingungen mehr, es entstehen sogenannte tote Zonen. Dieser Prozess geht einher mit einer drastischen Verschlechterung der Wasserqualität.

Untersuchung der TU bestätigt

Laut Ulrich Kimmel hat das Landratsamt Pirna inzwischen eigene Messungen am Kiessee veranlasst, die die Ergebnisse der TU-Untersuchung bestätigen. Auch den Verantwortlichen der Kieswerke Borsberg sowie dem Oberbergamt Freiberg seien die Daten mitgeteilt worden.

Wie es nun weitergehen soll, ist unklar. „Nach unserer Kenntnis wurden noch keine konkreten Maßnahmen vom Oberbergamt und der unteren Wasserbehörde in Bezug auf die Phosphorkonzentration ergriffen“, heißt es aus der Stadtverwaltung Pirna. Vergangene Woche hat es ein Treffen mit Vertretern des Landkreises, der Bürgerinitiative „Erhaltet den Kiessee“ und der Stadtverwaltung gegeben. Nach SZ-Informationen blieb auch dieser Termin ohne konkretes Ergebnis.

Kurzfristige Anfragen der SZ konnten Montagnachmittag weder das Landratsamt noch die Stadtverwaltung beantworten. Beide versprachen, Dienstag konkrete Angaben zum Sachstand zu machen.