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Pfarrer auf der Anklagebank

Der erste Verhandlungstag zeigt es: Der Landfriedensbruch-Prozess gegen den Jenaer Pfarrer König wird eine Auslegungssache. Dabei geht es nicht nur um die Beweise der Staatsanwaltschaft.

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© dpa

Von Petra Strutz, dpa

Dresden. Zivilcourage oder Gesetzesbruch? Sind Blockaden von Neonazi-Demonstrationen durch das Recht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit gedeckt? Um diese Fragen geht es bei dem Landfriedensbruch-Prozess gegen den Jenaer Stadtjugendpfarrer Lothar König, der sich seit Donnerstag vor einem Gericht in Dresden verantworten muss. Er soll am Rande von Blockaden zu Gewalt aufgerufen haben. Der Angeklagte bestreitet den Vorwurf nachdrücklich.

Pfarrer Lothar König vor Gericht

Der Jenaer Jugendpfarrer Lothar König am Donnerstag vor dem Amtsgericht in Dresden. König ist wegen schweren Landfriedensbruchs angeklagt.
Der Jenaer Jugendpfarrer Lothar König am Donnerstag vor dem Amtsgericht in Dresden. König ist wegen schweren Landfriedensbruchs angeklagt.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem 59-Jährigen aus Jena vor, bei einer Demonstration gegen Neonazis im Februar 2011 zu Gewalt gegen Polizisten aufgerufen zu haben. Der Pfarrer bestreitet das.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem 59-Jährigen aus Jena vor, bei einer Demonstration gegen Neonazis im Februar 2011 zu Gewalt gegen Polizisten aufgerufen zu haben. Der Pfarrer bestreitet das.
Vor dem Amtsgericht haben sich Unterstützer Königs versammelt. Sie halten den Prozess für politisch motiviert.
Vor dem Amtsgericht haben sich Unterstützer Königs versammelt. Sie halten den Prozess für politisch motiviert.
Damit würden engagierte Gegner von Neonazi-Aufmärschen kriminalisiert, hieß es.
Damit würden engagierte Gegner von Neonazi-Aufmärschen kriminalisiert, hieß es.
Lothar König bei der Sicherheitskontrolle im Amtsgericht Dresden.
Lothar König bei der Sicherheitskontrolle im Amtsgericht Dresden.
Die Sandalen sind Königs Markenzeichen.
Die Sandalen sind Königs Markenzeichen.
König umringt von Medienvertretern: Das Interesse an dem Prozess ist sehr groß.
König umringt von Medienvertretern: Das Interesse an dem Prozess ist sehr groß.
Der 59-Jährige hat im Gerichtsaal des Amtsgerichtes Platz eingenommen. Im Hintergrund Richter Ulrich Stein.
Der 59-Jährige hat im Gerichtsaal des Amtsgerichtes Platz eingenommen. Im Hintergrund Richter Ulrich Stein.
Gegendemonstrationen gegen Neonaziaufmärsche sind in Sachsen seit Jahren heftig umstritten, weil Nazigegner immer wieder zu Blockaden aufrufen. Solche Aktionen werden in Sachsen als Verstoß gegen das Versammlungsgesetz gewertet.
Gegendemonstrationen gegen Neonaziaufmärsche sind in Sachsen seit Jahren heftig umstritten, weil Nazigegner immer wieder zu Blockaden aufrufen. Solche Aktionen werden in Sachsen als Verstoß gegen das Versammlungsgesetz gewertet.
Am 19. Februar 2011 war es am Rande solcher Proteste, an denen sich der Pfarrer beteiligt hatte, zu schweren Auseinandersetzungen zwischen gewaltbereiten Anhängern der linken und rechten Szene gekommen.
Am 19. Februar 2011 war es am Rande solcher Proteste, an denen sich der Pfarrer beteiligt hatte, zu schweren Auseinandersetzungen zwischen gewaltbereiten Anhängern der linken und rechten Szene gekommen.

Königs Anhänger - darunter Kollegen, Gemeindemitglieder und Politiker von Linken, SPD und Grünen - fürchten, dass an dem 59-Jährigen ein Exempel statuiert werden soll. Sie halten den Prozess gegen ihn für politisch motiviert, um Nazigegner in die kriminelle Ecke zu stellen. Von Königs Unschuld sind sie überzeugt und meinen, dass Sachsens Justiz einmal mehr Zivilcourage bestrafen will.

Im Fall König dürfte es viel um die Auslegung von Beweisen und Aussagen gehen, das deutete sich schon zum Prozessauftakt an. Rechtsanwalt Johannes Eisenberg zerpflückte die Anklagepunkte in einer ersten Stellungnahme und fand harte Worte für die Staatsanwaltschaft. Er sprach von einer konstruierten Anklage, schlampigen Ermittlungen und dreisten Falschdarstellungen des Geschehens um die Blockade eines Neonazi-Aufmarsches am 19. Februar 2011. Sein Mandant habe nie zu Gewalt gegen Polizisten aufgerufen, wie es die Staatsanwaltschaft behaupte.

König ist nicht der Einzige, der sich von Sachsens Justiz ungerecht behandelt fühlt, wenn es um Widerstand gegen Rechtsextremismus geht. Eine ganze Reihe von sächsischen Landtagsabgeordneten etwa steht oder stand in der Schusslinie der Dresdner Staatsanwaltschaft, weil sie sich in den vergangenen Jahren an Aktionen gegen Rechte beteiligt und erfolgreich Aufmärsche in Dresden verhindert hatte. Auch wenn die Fälle nicht vergleichbar sind - es geht dabei ebenfalls um Auslegungen.

Die Nazi-Gegner kämpfen um ihr Recht auf Versammlungsfreiheit, den der Artikel 8 des Grundgesetzes garantiert. Gerichte in Berlin, Niedersachsen und Hessen hätten in diesem Sinne entschieden, sagt der sächsische Grünen-Landtagsabgeordnete Johannes Lichdi. «Nur ist das in Sachsen immer noch nicht angekommen.» Seine Immunität war kürzlich aufgehoben worden: Der Rechtsanwalt soll wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz angeklagt werden - weil er an einer Platzbesetzung beteiligt war.

Betroffenen ist das Agieren der Dresdner Staatsanwaltschaft ein Dorn im Auge. Ein von ihr angestrengter Prozess gegen den früheren sächsischen Linken-Fraktionschef André Hahn wegen einer Blockade wurde eingestellt. Auch seine Kollegen Janine Wissler und Willi van Ooyen aus Hessen kamen nach derselben Blockade ungeschoren davon. Bodo Ramelow, Linken-Fraktionschef in Thüringen, wartet hingegen noch immer auf seinen Prozess in dieser Sache. «Ich hatte erwartet, dass mir heute eine Anklage über den Weg läuft», sagte Ramelow, der den König-Prozess in Dresden verfolgte. (dpa)