Wie ein Trabi seit 15 Jahren von Brautpaar zu Brautpaar durch Sachsen wandert – und dabei nicht alle glücklich macht.
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Von Henry Berndt
Keiner weiß so richtig, wie diese Geschichte ihren Anfang nahm. Aber was soll man auch machen mit einer abgehalfterten Pappkiste ohne Dach und ohne jede Chance auf einen neuen TÜV? Am besten einfach weitergeben. Und so taten es Sven und Madlen Baier aus Hainichen zwischen Mittweida und Freiberg, nachdem ein Freund sie bei ihrem Polterabend mit dem Gefährt überrascht hatte. Nach nur zwei Wochen wechselte der Trabi erneut den Besitzer. Und das sollte erst der Anfang seiner langen Reise sein.
Die vielen Gesichter des Trauungs-Trabis
Bis heute durften den Trabi bereits 27 Hochzeitspaare aus Sachsen ihr Eigen nennen. Einigen brachte er Glück, andere sind inzwischen wieder geschiedene Leute. Einige behielten ihn nur wenige Tage, andere parkten ihn ein Jahr lang unter einer Plane im Schuppen – bis die Zeit reif war für das nächste Hochzeitspaar im Freundeskreis. So macht der Trabi seinen Weg von Dorf zu Dorf, von Hainichen über Brand-Erbisdorf nach Mittweida quer durch den Landkreis Mittelsachsen.
Bei jedem neuen Zwischenstopp wurde die Pappe liebevoll aufgehübscht. Hier ein paar Zweige, da ein Schornstein oder im Zweifel ein kompletter Hühnerstall samt lebendigen Hühnern anstelle des Daches. Dazu gab es in der Regel einen frischen Anstrich inklusive guter Wünsche an das Brautpaar. Ja manch einer glaubt sogar, die Farbe sei inzwischen das Einzige, was das Gefährt noch zusammenhält. Gefahren ist es jedenfalls in den vergangenen zwei Jahrzehnten maximal vom Anhänger durch das Tor bis in den Hof, ausnahmsweise auch mal mit Feuerwehr-Begleitschutz durch ein Dorf.
Im Jahr 2012 kam es in Brand-Erbisdorf zum ersten und bislang einzigen Trabi-Traditionstreffen der bisherigen Besitzer. Fast alle bis dahin beteiligten Paare kamen dazu auf den Hof zu Steve und Denise Kröner, brachten ein paar Bratwürste und Steaks mit und huldigten dem offensichtlich unzerstörbaren Auto. Die meisten von ihnen kannten sich damals schon über ein, zwei oder drei Ecken. „Zu dem einen oder anderen Paar hat man auch heute noch gute Kontakte“, sagt Denise Kröner.
Schon vor dem Treffen hatte sie ein „Trabi-Buch“ begonnen, eine Art Poesiealbum, in dem seitdem Daten, Fotos und flotte Sprüche festgehalten werden. Anfangs noch in Reimform: “Ene meme miste, wir haben die 16. geile Kiste“, später eher seriös mit Herzchen und Dankesworten.