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Ohorner leiden unter der Autobahn

Nach Pulsnitz geht es auch in der Nachbargemeinde um den Straßenlärm. Der beschäftigt jetzt auch Minister Dulig.

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© René Plaul

Von Reiner Hanke

Ohorn. Lärm ist in Ohorn ein Dauerproblem seit vielen, vielen Jahren. Es geht um den Lärm von der Autobahn  4. Der führte die Gemeinde schon bis vors Bundesverwaltungs- gericht und die ehemalige Ohorner Lehrerin Barbara Hörnig jetzt sogar nach Radeberg, um Wirtschaftsminister Martin Dulig die quälende Situation zu schildern: „Der Lärm hat immer weiter zugenommen. Wir leiden sehr darunter.“ Die Schutzwand sei unzureichend. Der Lärm zehre an der Gesundheit. Die Ohornerin mache sich Sorgen um ihren Lebensabend. Sie haben sich das Grundstück als Altersvorsorge aufgebaut. Inzwischen sei es aber wegen des Lärms kaum noch etwas wert. Damit steht sie nicht allein in Ohorn unter den Anwohnern entlang der A  4. Ähnlich sieht es für die Anwohner der Pulsnitzer Innenstadt entlang der S  95 aus. Hier diskutierte der Rat bereits im Vormonat zum Thema Lärmschutz. Das stand jetzt auch in Ohorn auf der Agenda. Auch dort lagen jetzt wieder Ergebnisse der sogenannten Lärmkartierung auf dem Tisch. Nicht zum ersten Mal. Es sind die aktuellsten Werte.

Bis vors Bundesverwaltungsgericht

Hintergrund für die Lärmkartierung sind EU-Richtlinien zur Bekämpfung von Umgebungslärm. Denen müssen sich die Stadt Pulsnitz ebenso wie die Gemeinden Ohorn und Lichtenberg stellen. Andere Kommunen der Region sind nicht so dramatisch betroffen. Mit Lärm bis zu 75 Dezibel, vergleichbar mit einem Staubsauger im Dauerbetrieb, sind wie in Pulsnitz auch Anwohner in Ohorn teilweise belastet, je nach Tageszeit, schätzt Bürgermeisterin Sonja Kunze ein. Das belegt die aktuelle Lärmanalyse des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie. Es geht um eine Strecke von 3,7 Kilometern an der A  4. Für die Betroffenen dort sei die Belastung so hoch, dass es zu gesundheitlichen Schäden kommen könnte. Bürgermeisterin Sonja Kunze weiß, wie die Anwohner leiden, unter Schlafstörungen zum Beispiel. Die Kommune bemängelt bis heute Fehler beim Bau der Lärmschutzwände. Nach dem Bau klagte sich Ohorn bis vors Bundesverwaltungsgericht. Nachbarn verfolgten das gespannt und erlebten das Scheitern vor dem Bundesverwaltungsgericht. Nicht wegen der Sache an sich, sondern wegen eines Verfahrensfehlers. Die Klage sei aus Sicht des Gerichts zu spät erfolgt.

Werden die Kommunen in Pulsnitz und Umgebung diesmal mehr erreichen? Bis Mitte Juni muss der Aktionsplan beim Landesamt für Umwelt sein. Ohorn wie Pulsnitz werden dort keinen eigenen Maßnahmenkatalog festlegen. Aus gutem Grund. Die Verantwortung für die Problemtrassen liege bei übergeordneten Behörden, insbesondere dem Landesamt für Straßenbau und Verkehr (Lasuv). An dessen Adresse werde die Stadt ihre Forderungen zur Lärmbekämpfung schicken. An die, die zu Entscheiden haben also. Ohorn hat jetzt vier große Themenkomplexe heraus gearbeitet. Erstens: eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 22 bis 6 Uhr. Dazu Radarfallen, um dem Nachdruck zu verleihen und eine Verlängerung des Lkw-Überholverbotes. Zweites: effektivere Lärmschutzwände beziehungsweise -wälle und eine Verlängerung der Anlagen, damit kein Lärm von den Seiten eindringen kann. Drittens: lärmmindernder Fahrbahnbelag und viertens: Schallschutz für Wohngebäude.

Trasse verlängern?

Die Kommunen selbst sehen keinen Handlungsspielraum für solche Investitionen, weder Ohorn noch Pulsnitz oder Lichtenberg. Dort steht das Thema Lärm in der kommenden Woche auf der Tagesordnung. In Pulsnitz zuletzt am Montag im Stadtrat. Bürgermeisterin Sonja Kunze fürchtet, die EU-Richtlinie sei wohl eher ein zahnloser Tiger. Die Hoffnung auf schnelle Veränderungen sei gedämpft, formuliert Ordnungsamtsleiter Heiko Hirsch vorsichtig. Dort geht es um ähnliche Vorschläge für die S  95. Er hofft für Pulsnitz auch, mit den Ergebnissen der Lärmanalyse in der Hand, den Bau der Umgehungsstraße um Pulsnitz befördern zu können. So werde jetzt die S 177 von Radeberg schon bis zum Eierberg gebaut. Es wäre doch sinnvoll, die Trasse an Pulsnitz vorbei bis zur Kamenzer Straße zu verlängern. Nun kommt es darauf an, wie sich das Lasuv positioniert. Wegen der Ohorner Schallschutzwände sei die Stadt unabhängig von der Lärmkartierung aktuell an das Landesamt herangetreten, um eine Verbesserung zu erreichen. Die Antwort stehe noch aus, so Heiko Hirsch, ob hier demnächst etwas geplant ist. Wenn in den sechsspurigen Ausbau investiert werden könne, muss auch Geld für den Lärmschutz da sein.

Eine weitere kleine Hoffnung gibt es für Ohorn noch: Den Auftritt der früheren Lehrerin bei Minister Dulig: „Ich habe den Eindruck, der ganze Verkehr wird auf die Straße verlegt, an die Anwohner denkt keiner“, sagte sie deutlich ihre Meinung. Der Minister pflichtet ihr bei, dass mehr Laster auf die Schiene gehören. „Daran arbeiten wir“, ließ er wissen. Mit der Fertigstellung der Bahnverbindung Leipzig – Horka und weiter Richtung Polen Ende des Jahres werden sicher etliche Lkw auf die Bahn umsteigen.“ Außerdem prüfe der Freistaat, wie der Umstieg weiter gefördert werden könnte. Zugleich spricht er sich für einen sechsspurigen Ausbau auf Teilen der A 4 aus. In Sachen Lärmschutz will er bei den Häusern in Ohorn mit den zuständigen Ämtern sprechen. Letztlich müsse aber auch der Bund mitziehen. Denn Autobahnen würden auch durch Berlin finanziert.