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Ökumene auf dem Pferderücken

Normalerweise reiten bei den Osterprozessionen nur Katholiken mit. Doch im Bautzener Zug gibt es jetzt eine Ausnahme.

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© Uwe Soeder

Von Miriam Schönbach

Gespannte Vorfreude liegt über dem stillen Dreiseithof in Grubschütz. Die Tore zu den Ställen stehen speerangelweit auf. Die Vierbeiner müssen erst noch anreisen. Zehn Pferde werden hier die Nacht zum Ostersonntag verbringen. Zwei von ihnen sind reserviert für Robert Matschie und Stefan Zuschke. Die beiden jungen Männer reiten in der Bautzener Prozession mit. Das Ungewöhnliche daran: Beide sind evangelische Sorben. Das Osterreiten ist ein katholischer Brauch.

Das Zaumzeug liegt schon bereit. Robert Matschie (links) und Stefan Zuschke sind eine Ausnahme unter den Bautzener Osterreitern. Sie reiten als evangelische Sorben in der katholischen Prozession mit.
Das Zaumzeug liegt schon bereit. Robert Matschie (links) und Stefan Zuschke sind eine Ausnahme unter den Bautzener Osterreitern. Sie reiten als evangelische Sorben in der katholischen Prozession mit. © Uwe Soeder

Robert Matschie trägt in diesem Jahr den grünen Myrtenkranz für seinen ersten Osterreiterzug. Sein Freund Stefan Zuschke ist schon fünf Jahre dabei. „Ich habe schon in der Schule katholische Religion belegt, weil es nur sehr wenige evangelische Sorben gibt“, sagt der 32-Jährige. Seit dieser Zeit fragten ihn auch Schulkameraden immer wieder, ob er nicht Lust hätte, an einer Prozession teilzunehmen. Er bittet um Bedenkzeit und spricht mit dem katholischen Dompfarrer Veit Scapan, den er schon aus dem Religionsunterricht kennt.

2012 zum ersten Mal auf dem Perd

So reift der Entschluss, den Ostersonntag anders als sonst zu verbringen. „Ohnehin war es mir nicht fremd, die Osterbotschaft singend und betend in die Nachbargemeinde zu tragen, ein Teil meiner Familie ist katholisch“, sagt der Mitarbeiter des Sorbischen National-Ensembles in Bautzen. 2012 sitzt er zum ersten Mal auf dem Pferd, neben ihm ein erfahrener Reiter, der ihm sagt, wie er die Zügel zu halten hat. Das Pferd für die Prozession ist geborgt.

Ein bisschen Aufregung verspürt auch Robert Matschie. Er hat sich dem Osterreiten langsam genähert. Seine Frau kommt aus einer katholischen Familie, deshalb ging es am Ostersonntag oft nach Ralbitz, um dort der Schwiegermutter bei der Versorgung der Osterreiter unter die Arme zu greifen. Zudem bekommen auf dem Grubschützer Hof seit Jahren die Osterreiterpferde einen Platz. „Im vergangenen Jahr haben wir noch gebaut, da fehlte mir die Zeit für die Vorbereitung. Aber seit Januar nehme ich einmal in der Woche Reitstunden“, sagt der 37-Jährige.

Nicht nur auf dem Pferd macht sich der Angestellte des Großpostwitzer Fahrzeugtechnikunternehmens Miunske fit. Immer dienstags übt er mit anderen Osterreitern die Choräle und Gebete. Eine CD mit den ersten drei Strophen vieler Lieder hört der dreifache Vater auf dem Weg zur Arbeit. „Wenn ich etwas mache, dann mache ich es richtig“, sagt Robert Matschie. Selbstverständlich liegt auch schon das reich geschmückte Zaumzeug bereit. Der Zylinder für den ersten Ritt ist geliehen.

Idylle hält nicht lange

Von Vorfreude auf turbulent wechselt die Stimmung auf dem Grubschützer Dreiseithof immer ab Karfreitag. Dann werden die Pferde für die Prozessionen geholt. „Um 8 Uhr fahren wir zum Reiterhof nach Flöha. Nachmittags müssen wir aber zum sorbisch-evangelischen Gottesdienst zurück sein“, sagt Stefan Zuschke. Am Sonnabend sind die Osterreiter mit dem Putzen und Schmücken der Tiere beschäftigt. 21 Uhr folgt die katholische Messe und eine kurze Andacht in der Liebfrauenkirche. Robert Matschie schaut dann nochmals nach den 14 Pferden, bevor Ruhe einzieht.

Doch diese Idylle hält nicht lange. Spätestens halb zehn müssen die Reiter in Grubschütz am Ostersonntag im Sattel sitzen, um pünktlich am 16 Kilometer entfernten Stellplatz in Bautzen zu sein. „Wenn wir Pech haben, hat sich ein Pferd über Nacht hingelegt, weil es so entspannt war. Dann fängt das Putzen noch mal an“, sagt Stefan Zuschke. Sein Schimmel fand es im vorigen Jahr besonders gemütlich im Stall. Das hat Hektik in den Morgen gebracht. Darauf würde der Bautzener dieses Jahr gern verzichten.

Ein Gänsehaut-Gefühl

Nicht mehr entbehren möchte Stefan Zuschke dagegen das Gefühl, in der Gemeinschaft der Bautzener Osterreiter in die Seidau hineinzureiten. „Das Hufgeklapper in den engen Gassen, der Blick von unten auf die Ortenburg und der Gesang – da bekomme ich jedes Mal eine Gänsehaut“, sagt er. Die Kulisse aus Touristen und Einheimischen nimmt er dabei nur am Rande wahr. Insgesamt 70 Osterreiter gehören zur Bautzener Prozession.

Dass darunter nun auch ein protestantisches Reiterpaar ist, sehen Stefan Zuschke und Robert Matschie nicht als Besonderheit. „500 Jahre nach der Reformation sollten wir die Unterschiede nicht mehr herauskehren, sondern sollten Ostern als Fest der Freude gemeinsam begehen“, sind sich die beiden Osterreiter einig.