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Nur halbe Glückspilze

Mit Aufenthaltserlaubnis dürfen Flüchtlinge in eine eigene Bleibe ziehen und arbeiten. Doch in den meisten Fällen scheitert das an vielen Hürden.

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© Norbert Millauer

Von Ulrike Keller

Moritzburg. Das alles beherrschende Thema unter den jungen Männern am Camp heißt „Wohnung und Job“. Camp, so nennen Bewohner und Helfer die Asylunterkunft in Moritzburg. Zu den 32 Syrern, die inzwischen eine Aufenthaltserlaubnis erhalten haben, gehören auch Somar und Mahmoud. Sie könnten jetzt durchstarten, eigene vier Wände beziehen und sich ein normales Leben aufbauen, eines mit Privatsphäre.

Stattdessen kommen sie nicht weg aus der schäbigen Gemeinschaftsunterkunft mit den Drei- bis Sechsbettzimmern. „Ich suche im Internet nach Wohnungsangeboten in Dresden und Radebeul“, erzählt der 25-jährige Somar Alali-Alhossin. „Aber oft heißt es: Flüchtlinge? Nein!“ Auch sein Kumpel Mahmoud Khallouf, 24, hält schon seit zwei Monaten Ausschau. Vergebens. Dankbar sind sie für die große Unterstützung durch ihre Patin Regina Hamborg, von der sie als „Mama Regina“ sprechen.

Ein Freund, ebenfalls Syrer, stößt hinzu und bringt ein klein wenig Hoffnung mit. Er kommt gerade von einer Wohnungsbesichtigung in Dresden. Der fünften in einem halben Jahr, mehr Angebote gab es nicht. Diesmal könnte es klappen. Aber Grit Saathoff von der Initiative Moritzburg - Ort der Vielfalt zügelt ihre Vorfreude. Zu viel hat sie schon erlebt, seitdem sie die Campbewohner bei der Suche nach einer eigenen Bleibe begleitet.

Zu oft war das Apartment am Ende doch weg. „Die Jungs müssen nach der Besichtigung mit einer Art Vorvertrag zum Jobcenter Dresden“, schildert sie den üblichen Ablauf. „Dort müssen sie sich registrieren, ohne zu wissen, ob der Mietvertrag zustande kommt.“ Dann prüfe die Behörde die Wohnung. „Wird sie nicht genehmigt, war die ganze Prozedur umsonst“, sagt Grit Saathoff nüchtern. „Und so läuft es jedes Mal wieder.“

Eine Wohnung zu reservieren, scheitere meist daran, dass die Flüchtlinge in diesem Stadium noch kein eigenes Einkommen vorweisen können, erzählt sie. Auch hat sie die Erfahrung gemacht, dass viele Immobilienfirmen für ein bis drei Jahre einen deutschen Bürgen als Sicherheit fordern. Und ihre frustrierendste Bilanz: Fünf von zehn Vermietern wollen generell keine Flüchtlinge. „Ich als Ehrenamtliche fühle mich von der Bürokratie in den Hintern getreten“, kritisiert sie. „Uns werden zusätzliche Wege auferlegt, weil die jungen Männer sonst nie eine Wohnung bekommen würden.“

Wie viele Flüchtlinge mit Aufenthaltsgenehmigung zwischen Radeburg und Weinböhla bereits in eigene vier Wände gezogen sind, kann das Landratsamt statistisch nicht herausfiltern. Was jedoch auf SZ-Anfrage festgestellt werden kann: 67 Personen mit Aufenthaltstitel waren zum 15. August noch in den Asylunterkünften des Landkreises in Radeburg, Moritzburg, Radebeul, Coswig und Weinböhla untergebracht, weil ihre Suche bislang erfolglos war.

„Es läuft schleppend, gerade bei Einzelpersonen entsprechenden Wohnraum zu finden“, räumt auch Barbara Schwedler ein, Leiterin des Ausländeramtes der Landkreisverwaltung. Die Behörde hat bisher nicht zum Auszug aus ihren Räumlichkeiten gedrängt, weil sie Obdachlosigkeit vermeiden möchte.

Nur sieben der 32 Moritzburger Campbewohner mit Aufenthaltserlaubnis haben bereits eine eigene Wohnung: drei in und um Leipzig sowie vier in den alten Bundesländern. „Aber was sollen wir woanders?“, fragen Somar und Mahmoud. Schließlich haben die beiden seit Juli hier einen Minijob.

Im Glashaus Gartenkultur in Medingen helfen sie mit, wo immer etwas zu pflanzen, graben, mähen oder zu reparieren ist. „Neben der traurigen Tatsache, dass es zunehmend unmöglicher wird, deutsche Arbeitskräfte für schwere körperliche Tätigkeit im Freien und bei jeder Witterung mit branchenbedingt relativ geringer Bezahlung zu finden, ist es mir ein Bedürfnis, Asylsuchenden eine Möglichkeit zu bieten, bei uns Fuß zu fassen“, sagt Geschäftsführer Thomas Till.

Damit zählen die beiden Syrer zu einer Minderheit von erwerbstätigen Flüchtlingen in der Region. Wie das Landratsamt der SZ mitteilt, gehen aktuell noch in Radebeul drei Ausländer mit Aufenthaltstitel einer Arbeit nach, in Coswig neun und in Weinböhla 13.

Somar und Mahmoud haben es ideal getroffen. Denn Somar war in Syrien sieben Jahre als Florist selbstständig und Mahmoud in einer Tischlerei in der Holzverarbeitung angestellt. Um die Minijobs kümmerte sich ihre rührige und gut vernetzte Patin Regina Hamborg. Ihr ging es vor allem ums Deutschlernen. „Der Staat kommt zu spät in die Gänge“, sagt die Friedewalderin. „Warum kann man nicht mit Anlaufen der Sprachkurse Praktika vermitteln?“

Dann lerne sich die Sprache viel schneller. Montags bis donnerstags besuchen ihre Schützlinge nun, zusammen mit zwölf anderen Moritzburger Campbewohnern, den Integrationskurs in Radebeul. Und freitags und sonnabends arbeiten Somar und Mahmoud im Gartenbau. Als Nächstes will sich Regina Hamborg intensiv der Wohnungssuche widmen. Doch sie vermutet: „Das wird noch schwieriger als die Jobgeschichte.“