Von Thilo Alexe
Die Abkürzung Pegida benutzt Markus Ulbig nicht, als er das Resümee des Verfassungsschutz- berichts formuliert. Doch dürfte der CDU-Innenminister den Zulauf für die islam- und asylkritische Bewegung im Sinn haben, als er von einer sich steigernden Polarisierung der Gesellschaft spricht. Viele fühlten sich von etablierten Parteien nicht mehr repräsentiert. Um potenziellen extremistischen Tendenzen die Basis zu entziehen, sei das Gespräch aller gesellschaftlichen Akteure mit dialogbereiten Mitbürgern nötig. Was die Verfassungsschützer für das vergangene Jahr als extremistisch einstufen, halten sie im gestern vorgestellten Bericht auf 280 Seiten fest.
Pegida wird nicht beobachtet
Auch wenn die Reden teils heftig sind und sich unter die Zuhörer NPD-Politiker mischen: Die montäglichen Demonstrationen der Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes beobachtet der Verfassungsschutz nicht. Die Hürden dafür seien hoch, sagte Verfassungsschutzpräsident Gordian Meyer-Plath. Es gebe derzeit keine Anhaltspunkte dafür, dass Pegida die freiheitlich-demokratische Grundordnung abschaffen wolle. Gleichwohl hat der Geheimdienst Neonazis im Visier, die bei den Islamkritikern mitlaufen – und die vor allem in Leipzig aktiven autonomen Gegendemonstranten. Kritik kommt von der Landtagsabgeordneten der Linken, Kerstin Köditz. Sie wirft Ulbig vor, „offenkundig im Zusammenhang mit seiner OB-Kandidatur in Dresden Verständnis für Pegida“ zu zeigen. Schließlich habe er sich mit den damaligen Spitzen der Bewegung getroffen.
Rund 2 500 Sachsen sind offen rechtsextrem
Bundesweit hat sich die Zahl der Rechtsextremisten binnen zehn Jahren annähernd halbiert (2013: 21 700). In Sachsen beobachten Verfassungsschützer eine andere Tendenz. Seit drei Jahren bleibt der Personenkreis im Rechtsextremismus bei rund 2 500 konstant. Die meisten von ihnen finden sich mit 880 in der subkulturellen Szene, die zwar ideologisch weniger gefestigt, dafür aber gewaltbereit ist. „Fakt ist, dass wir ein gestiegenes Gewaltpotenzial haben“, sagt Ulbig. Leicht gestiegen ist die Zahl der Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund auf 1 710. Deutlicher ist der Zuwachs bei den Gewaltstraftaten – deren Zahl stieg binnen Jahresfrist von 67 auf 83. Nach Angaben des SPD-Abgeordneten Henning Homann nennen Beratungsstellen für Opfer rechtsmotivierter Gewalt höhere Fallzahlen. Das lasse vermuten, „dass die Probleme größer sind als vom Verfassungsschutz erfasst“.
NPD verliert Mitglieder, bleibt aber stärkste rechtsextremistische Partei
Zahlen aus dem Verfassungsschutzbericht
Im Jahr der Landtagswahl sank die Mitgliederzahl der sächsischen NPD dem Verfassungsschutz zufolge um rund neun Prozent auf 610. Trotz des knappen Scheiterns an der Fünf-Prozent-Hürde ist die rechtsextremistische Partei in allen sächsischen Kreistagen vertreten. Ihre Konkurrenz ist deutlich kleiner. Die Rechte hatte im Bundesland etwa zehn Mitglieder, die Partei der Dritte Weg rund 20. Verfassungsschutzchef Meyer-Plath geht aber davon aus, dass die beiden Parteien Zulauf erhalten. Den verbuchen bereits die Jungen Nationaldemokraten (JN). Der NPD-Nachwuchs zählte nach Erkenntnissen der Verfassungsschützer 110 Mitglieder, 40 mehr als im Jahr zuvor. Ein Grund dafür ist der Zuspruch aus dem Bereich der in Kameradschaften organisierten Neonationalsozialisten, die bei klaren Verlusten auf etwa 860 Mitglieder kommen. Ulbig hatte gegen die Nationalen Sozialisten in Döbeln und Chemnitz Vereinigungsverbote erlassen. Viele von ihnen schlossen sich den JN an, etwa wegen des Parteienprivilegs.
Autonome sind stärkste Gruppe bei den Linksextremen
Für den Verfassungsschutz bleibt die Beobachtung des Rechtsextremismus der Schwerpunkt. Dennoch befasst sich der Dienst auch mit Linksextremismus. Die Anzahl der Linksextremen in Sachsen stieg leicht auf 770 an. Größte Einzelgruppe sind die Autonomen mit 360 Personen. Die Zahl linksextremistischer Straftaten stieg um mehr als 40 Prozent auf 821, die der Gewaltdelikte verringerte sich leicht auf 154. Das Personenpotenzial des islamistisch-ausländerextremistischen Spektrums stieg leicht auf 360, war aber zuvor schon höher.
Der Verfassungsschutzbericht Sachsen 2014 im Internet (PDF-Dokument)