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Notstand bei der Notdurft

Vor allem Senioren beklagen, dass es in Freital zu wenige öffentliche Toiletten gibt. Sie haben einen Vorschlag.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Annett Heyse

Freital. Jeder kennt das, ob jung oder alt: Man ist in der Stadt unterwegs und plötzlich fordert die Natur ihr Recht. Aber was tun, wenn zwar überall Straßen, Wohnhäuser und Geschäfte sind, aber keine Toiletten? Das fragen sich auch viele ältere Freitaler und haben über die Seniorenbeauftragte Heidrun Weigel nun einen Vorschlag veröffentlicht.

Er geht in die Richtung „Nette Toilette“, wie sie beispielsweise aus Dresden bekannt sind. Die Idee: Öffentliche Einrichtungen, Gastronomen und Institutionen stellen ihre WCs zur Nutzung für Jedermann bereit. „Man könnte es mit einigen Anlaufpunkten entlang der Dresdner Straße versuchen und nach einer Probezeit auswerten, ob das realisierbar ist“, schlägt Weigel vor. Ein halbes Jahr als Testphase – das müsste doch ausreichen, um sich ein erstes Urteil zu bilden, so Weigel.

In der Stadtverwaltung Freital nimmt man die Idee durchaus wohlwollend auf. Grundsätzlich sei der Vorschlag zur weiteren Verbesserung der Toilettensituation zu begrüßen, heißt es aus dem Rathaus. Denn auch hier weiß man: In Freital herrscht bei der Notdurft ein gewisser Notstand beziehungsweise Engpass – öffentliche Toiletten sind selten geworden.

So gibt es ein Klo am Busbahnhof in Deuben, das werktags von 6 bis 18 Uhr zugänglich ist. Es wird im Auftrag der Stadt betrieben und kostet fünfzig Cent Benutzungsgebühr. Eine weitere Toilettenanlage – ebenfalls kostenpflichtig – befindet sich im Hainsberger Bahnhof. Sie ist während der Öffnungszeiten des Fahrkartenschalters der Weißeritztalbahn zugänglich, also an allen sieben Wochentagen, allerdings nur von 8.30 bis 16 Uhr, an Wochenenden nur bis 15 Uhr. Zudem verfügen die Rathäuser in Potschappel und Deuben sowie die Bücherei über Toiletten, die währen der Öffnungszeiten den Besuchern zur Verfügung stehen. Auch das neue Bürgerbüro im Bahnhof Potschappel, welches im Frühjahr 2019 eröffnet wird, soll dementsprechend ausgestattet werden. Andere öffentliche Abtritte sind längst verschwunden. So existierte beispielsweise bis weit nach der Wende noch ein Klohäuschen an der Deubener Straße in Potschappel.

Vorerst kein Klo am Neumarkt

Immer mal wieder gab es in den vergangenen Jahren von verschiedenen Seiten den Vorstoß, mehr öffentliche Toiletten einzurichten. Zuletzt war es die Fraktion der Bürger für Freital. Die Lokalpolitiker schlugen vor, am Neumarkt eine öffentliche Toilettenanlage zu bauen. Der Bedarf an dieser Stelle dürfte da sein. In der angrenzenden Parkanlage gibt es einen Grillplatz und einen Matschspielplatz. Beides zieht bei schönem Wetter viele Familien an, die dort ein paar Stunden verbringen. Jeden zweiten Sonnabend findet auf dem Neumarkt zudem ein Wochenmarkt mit Imbissangeboten statt. Es bedarf nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass da auch der eine oder andere mal auf die Toilette muss. Doch am Neumarkt wird in absehbarer Zeit keine Toilette entstehen. Schon vor Jahren, als eine Neugestaltung des Platzes geplant wurde, wurde zwar über das Klo diskutiert. Vorgesehen ist es nun aber nicht, wenn am Neumarkt der nächste Bauabschnitt bei der Umgestaltung angepackt wird. Warum sich die Stadt so schwer mit einer öffentlichen Toilette tut, sagt niemand so genau, aber es liegt auf der Hand: Stille Örtchen sind oft genug einfach nur ein Kostenfaktor. Das merkt die Stadt am Busbahnhof-Klo. 50 Cent kostet die Benutzung. Das deckt die Kosten in keinem Fall. Mehr als 10 000 Euro schießt Freital jährlich zu. Hinzu kommen Kosten, die durch Vandalismus und Schmierereien verursacht werden. Mit anderen Worten: Weil sich einige nicht zu benehmen wissen, müssen alle auf weitere öffentliche Toiletten verzichten.

Bisher. Zumindest denkt man im Rathaus jetzt wieder darüber nach, Abhilfe zu schaffen. So soll für 12 000 Euro eine Studie durchgeführt werden. Untersuchungsziel ist die Antwort auf die Frage, ob und wenn ja, an welchem Standort öffentliche Toiletten in Freital gebraucht werden. „Die Studie soll in diesem Jahr beauftragt werden. Dazu finden bereits Gespräche statt“, sagte Pressesprecher Matthias Weigel. Bis es so weit ist und eventuell gebaut wird, dürften Monate vergehen. So lange wollen die Senioren nicht warten. Sie haben eine Liste mit möglichen Anlaufpunkten entlang der Dresdner Straße aufgestellt, die über Toiletten verfügen. Mit dabei ist das Ärztehaus gegenüber der Aral-Tankstelle, die Bibliothek im City Center, die Kantine Wirtschaft im Technologie- und Gründerzentrum, das Verwaltungsgebäude des Deutschen Roten Kreuzes, der Verein Zusammenleben, der Advita Pflegedienst.

Beim Verein Zusammenleben ist man durchaus aufgeschlossen. „Ich weiß, dass mehr öffentliche Toiletten in Freital gebraucht und auch gewünscht werden, vor allem von Senioren“, sagt Vereins-Chefin Tatjana Jurk. Sie könne sich durchaus vorstellen, die Toilette im Haus für die Öffentlichkeit freizugeben. Das müsse man aber auch mit der Schuldnerberatung, die im gleichen Gebäude sitzt, abklären. Beim Pflegedienst Advita muss man die Idee zurückweisen. „Das ist nicht böse gemeint, aber wir betreiben eine ambulante Pflege. Das Risiko, dass jemand von draußen Keime anschleppt und unsere Leute ansteckt, ist uns einfach zu groß“, sagt Advita-Niederlassungsleiterin Kerstin Buckan. Umgekehrt könne das übrigens genauso passieren. Der Vorschlag steht nun erst mal im Raum. Heidrun Weigel hat schon angekündigt, es nicht dabei zu belassen.