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Notstand bei der Feuerwehr

Es brennt und keine Feuerwehr kommt. Vielerorts fehlen Freiwillige, mancher Wehr in der Sächsischen Schweiz droht gar die Schließung. Teils sehr drastische Ideen sollen helfen.

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© Andreas Weihs

Von Tobias Hoeflich

Pirna. Dieser Notruf war seitenverkehrt. Er ging nicht bei der Feuerwehr ein – sondern von ihr aus. Via Facebook bat die Papstdorfer Freiwillige Feuerwehr aus der Sächsischen Schweiz mit Nachdruck um personelle Unterstützung. Sonst drohe die Auflösung. Gerade noch acht Aktive zählt die Wehr. Vor zehn Jahren waren es dreimal so viele. Zumindest im Internet rief die Warnung ein enormes Echo hervor: Über 160-mal wurde der Aufruf weiterverbreitet. Zum Infoabend kamen aber nur zwei Interessenten. „Zu wenig“, ist Max Hamisch enttäuscht.

Der Gemeindewehrleiter in Gohrisch, zu dem Papstdorf zählt, hatte mindestens fünf bis zehn Gäste erwartet. „Einer hat zugesagt. Der andere überlegt es sich noch.“ Schlechte Aussichten, zumal der nächste Verlust droht: „Zwei Kameraden haben angekündigt, zum Monatsende den aktiven Dienst aus Altersgründen zu beenden.“ Die Konsequenz aus zu wenig Freiwilligen liegt nahe. „Dann dauert’s im Notfall eben bisschen länger“, seufzt Hamisch.

Kameradennotstand ist längst nicht nur ein Papstdorfer Problem. Viele Wehren im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge klagen, nicht genügend Freiwillige zu finden. Als vergangenen Mittwoch die Brandmeldeanlage im Pirnaer Canalettohaus auslöste, konnte die Feuerwehr Graupa nicht ausrücken – wegen Personalmangels. „Die Situation ist auch in der Freiwilligen Feuerwehr Pirna sehr problematisch“, schrieb der Graupaer Wehrleiter Michael Binye auf Facebook. „Wir brauchen dringend neue Mitglieder, unsere hauptamtlichen Kameraden können allein bei allen Einsätzen ab mittlerer Größe nicht arbeiten.“ In diese Kategorie zählen etwa Wohnungsbrände, größere Kfz-Brände oder auch leichte Waldbrände.

Die Sorgen der Freiwilligen Feuerwehren vom Osterzgebirge bis in die Sächsische Schweiz sind Kreisbrandmeister Karsten Neumann vertraut. Es gebe vielfältige Gründe für die personellen Engpässe. „Die Ursachen sind nicht nur im fehlenden Nachwuchs zu suchen“, betont Neumann. Geänderte Freizeitvorlieben, lange Pendelstrecken zur Arbeit, all das trage zum Schwund bei.

Umso wichtiger wird für die Wehren daher, aktiv nach Unterstützern zu suchen. „Seit vielen Jahren wird eine hervorragende und umfassende Nachwuchsförderung in den Jugendfeuerwehren geleistet.“ Mitunter zeigen sich die Brandbekämpfer auch kreativ, um auf Probleme hinzuweisen. Für viel Aufmerksamkeit sorgte vergangenes Jahr die Löscheimer-Aktion der Wehren in Gorknitz und Röhrsdorf bei Dohna. Sie hatten 800 Löscheimer an Haushalte verteilt, nach dem Motto: Helft euch damit doch selbst, wenn’s brennt.

Zahl der Wehren noch stabil

Trotz der Engpässe halten die Wehren bislang durch. Das zeigt eine Statistik des sächsischen Innenministeriums: Demnach gibt es derzeit 36 Freiwillige Feuerwehren im Kreis. Seit 2014 habe sich die Zahl nicht verändert, sagt Pressereferentin Pia Leson. Allerdings sind diese zum Teil noch in Ortswehren untergliedert, deren Zahl das Innenministerium nicht erfasst. Gerade wegen der Bedeutung für die Sicherheit unterstützt der Freistaat die Kommunen beim Brandschutz mit jährlich 21 Millionen Euro Fördermitteln – auch, weil die Sorgen bekannt sind. Gerade tagsüber sei es „eine erhebliche Herausforderung für die Gemeinden“, den Brandschutz zu gewährleisten. An dem Modell Freiwillige Feuerwehr gebe es aber keine Zweifel.

Wegen der Personalsorgen taten sich unter anderem der Freistaat, der Landesfeuerwehrverband sowie der Städte- und Gemeindetag schon 2011 zu einer Arbeitsgruppe zusammen, 2014 wurde der Abschlussbericht veröffentlicht. „Im Ergebnis wird das Modell Freiwillige Feuerwehr auch weiterhin als zukunftsfähig angesehen“, sagt Pia Leson. Wehren, Gemeinden, Landkreise und Freistaat müssten aber kontinuierlich dafür sorgen, dass die Einsatzbereitschaft gesichert ist. Immerhin: Seit 2008 steigen die Mitgliederzahlen der Jugendfeuerwehren. Waren es damals knapp 10 000, zählten Statistiker sieben Jahre später über 12 500.

Max Hamisch und seiner Papstdorfer Wehr nützt das derzeit freilich wenig. Vorerst werden die verbliebenen Kameraden nur noch gemeinsam mit denen aus Kleinhennersdorf ausrücken. „Damit ist wenigstens ein Gruppenführer vor Ort.“ Außerdem soll eines der beiden Papstdorfer Feuerwehrautos an Cunnersdorf abgegeben werden, weil dort mehr Kameraden aktiv sind. Wie die Zukunft aussieht, sollen Gespräche mit dem Bürgermeister und dem Landratsamt klären. Keine gute Perspektive, ausgerechnet zum 125. Geburtstag der Papstdorfer Wehr. Eine Feier gab es nicht, sagt Hamisch. „Die hat es schon beim letzten Jubiläum aus Personalmangel nicht gegeben.“