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Neues Leben im Praktiker

Vor zwei Jahren wurde der Heidenauer Baumarkt Flüchtlingsquartier und Brennpunkt. Was der neue Eigentümer vorhat.

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© Dirk Zschiedrich

Von Heike Sabel

Heidenau. Betriebsleiter Maik Hippel erhielt einige unmoralische Angebote. Von Abrissfirmen. Als die erfuhren, dass das Möbelwerk Heidenau den ehemaligen Praktiker gekauft hat, dachten die, den kann man nur abreißen. Mitnichten. Er ist perfekt als Lager und Logistikzentrum. Doch bis ihn das Möbelwerk nutzen kann, sind einige bürokratische Hürden zu nehmen.

Im August 2015 waren kurzfristig Flüchtlinge in dem leeren Baumarkt untergebracht worden. Eine Entscheidung, die Krawallmacher anzog. Für drei Tage wurde der Praktiker im wahrsten Sinne Brennpunkt. Nicht mal ein Jahr später waren die Flüchtlinge wieder weg, wurde der Praktiker als Katastrophenschutzlager genutzt. Im Januar 2017 wurde schneller, als es Werkleiter Maik Hippel lieb war, der Verkauf an das Möbelwerk bekannt. Zum Kaufpreis gibt es keine Angaben. In der Ausschreibung standen damals 2,5 Millionen Euro. Das soll auch der Preis gewesen sein, den der Freistaat an den Vorbesitzer, einen britischen Immobilienkonzern, gezahlt hat. Beim Weiterverkauf soll Sachsen kein Minus gemacht haben.

Zuerst ließ Hippel das Praktiker-Blau rot überstreichen, den Schriftzug „Möbelwerk“ anbringen und einen ordentlichen Zaun bauen. Ihm war das Signal nach außen wichtig. Drinnen hat sich noch nichts verändert. Entlang des abgeschalteten Rollbandes hat der Hinweis „Sanitär-Möbelausstellung“ die Jahre überdauert, an einigen Säulen sind arabische Worte und Comics dazu gekommen. Die Uhr über dem Haupteingang geht noch.

Vor dem August 2015 hatte der Praktiker zwei Jahre leer gestanden. Damals war das Möbelwerk noch nicht so weit, seine einstigen Flächen zurückzukaufen. Sie wurden 1990/91 verkauft, weil es unklar war, ob oder wie es weiter geht. Als der Freistaat voriges Jahr das Grundstück, zu dem auch der Hammer-Markt gehört, wieder loswerden wollte, sah das anders aus. Inwiefern das Möbelwerk einen Vorbesitzer-Bonus unter den Interessenten bekam, kann Hippel nicht sagen. Er sieht die sich mit dem Kauf ergebene Chance als glückliche Fügung. Jetzt kann der Alt-Standort mit dem neuen verschmelzen. Das sichert den Betrieb für die nächsten Jahrzehnte.

Nun muss zuerst der Bebauungsplan geändert werden. Noch immer ist nämlich nur ein Garten- und Baumarkt möglich. Eine gesetzliche Ausnahmeregelung hatte die Nutzung als Flüchtlingsunterkunft ermöglicht. Wenn es gut und schnell geht, könnte der Plan zu Beginn 2018 geändert sein. Dann wird umgehend der Bauantrag eingereicht, der trotz weitgehender Beibehaltung der Gebäudestruktur notwendig ist und an dem ein Architekturbüro bereits arbeitet. 2019 könnten im Praktiker die ersten Schlafzimmermöbel gelagert und für den Versand vorbereitet werden. Dann werden weitere Mitarbeiter gesucht. Schon jetzt sind Stellen für Tischler, Holzmechaniker, Verpacker ausgeschrieben. 160 Leute arbeiten derzeit in dem Betrieb, in dem Hippel 1981 als Lehrling anfing.

Die Zeit bis 2019 wird genutzt, fürs Planen und das Erweitern der Fertigung und Produktion. Dafür wurde schon 2008/09 die zur Feldstraße hin benachbarte Fläche von ehemals Heidenia gekauft. Die Anlieferung wird weiterhin über die Güterbahnstraße erfolgen, die Auslieferung dann über die Hauptstraße (S 172). Dass es da keine Linksabbiegespur gibt, wurde oft diskutiert. Hippel und seine Geschäftspartner stört es nicht. Die Anbindung an die Autobahnauffahrten Pirna und Dresden seien gleich gut und Heidenau in der Mitte. Die Anlieferer fahren in Dresden runter, die anderen in Pirna und in Dresden wieder rauf.

In Hippels Büro hängen vier Firmenansichten. Ein Bild zeigt die älteste Ansicht aus den Anfangsjahren. Um 1898 wurden noch Blechwerbeschilder hergestellt. Die drei Fotos dokumentieren die drei Erweiterungen. Auf zwei von ihnen ist der Praktiker im Hintergrund zu sehen. In Gelb und Blau. Auf dem vierten Foto wird es an dieser Stelle Rot zwischen den Bäumen und Dächern hervorblitzen.