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Neuer Weg ins Glück

Nach einem Schlaganfall kommt Werner Müller aus Döbeln nicht mehr auf die Straße. Der Einsatz fremder Menschen verändert alles.

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© André Braun

Von Tina Soltysiak

Döbeln. Werner Müller stehen Tränen in den Augen. Er sitzt in seinem Rollstuhl, kann sich nach mehreren Schlaganfällen kaum mehr artikulieren und doch drückt seine Mimik vor allem eines aus: tiefe Dankbarkeit. Denn für ihn wildfremde Menschen haben am Sonnabendvormittag auf seinem Grundstück einen neuen Weg gebaut. Was banal klingen mag, ist für die Müllers eine große Sache. Es sind 15 Meter von der Haustür bis zum Hoftor, die in der Tat ihr Leben verändern werden. Da ist sich Irmgard Müller sicher. „Zuvor war hier alles holprige Wiese. Da ist mein Mann mit seinem Rollstuhl nicht langgekommen“, sagt die 66-Jährige. Ihr fehlt die Kraft zum Schieben. Vom Arzt hatte Müller bereits ein Rezept für einen elektrischen Rollstuhl erhalten. Katrin Gaudlitz, Betreuerin der Familie, erinnert sich: „Es gab eine Testfahrt. Aber der Weg war einfach zu schlecht.“

Rico Weinheimer, DJ aus Lossen, hat über eine gute Freundin von dem Schicksal der Müllers erfahren. „Es hat mich richtig betroffen gemacht“, sagt er. Für ihn stand fest: Dem Rentnerehepaar, das keine Kinder hat, muss geholfen werden. Im sozialen Netzwerk Facebook startete er vor einer Woche einen Hilfeaufruf. „Eigentlich war geplant, dass wir ein Spendenkonto einrichten. Doch dann wurde Jens Funke auf die Aktion aufmerksam und alles ging ganz schnell“, so Weinheimer. Funke, der in Dörschnitz bei Lommatzsch aufgewachsen ist, ist Inhaber einer Pflasterbaufirma in Leipzig. „Ich habe ein bisschen herumtelefoniert. Maik Müller von der Kiesgrube in Bahra bei Riesa hat den Kies gesponsort. Ich wollte in Leipzig bei der Firma Hellweg Borde und Pflastersteine bestellen. Als sie gehört haben, wofür ich sie benötige, haben sie das Material kostenfrei zur Verfügung gestellt“, sagt der 31-Jährige. Mittwoch stand der Plan. Freitagnachmittag hat Funke den Weg ausgeschachtet und die Borde gesetzt. „Der Beton muss ja erst aushärten.“ Sonnabendfrüh haben er, Rico Weinheimer und Frank Nagel losgelegt. Nach vier Stunden ist der Pflasterweg fertig. Weinheimer lässt es sich nicht nehmen, Werner Müller zur „Jungfernfahrt“ über den neuen Pfad auf die Straße hinaus zu schieben. Nicht nur das Ehepaar Müller ist gerührt. „Denn es ist das erste Mal seit zwei Jahren, dass er so wieder auf die Straße kommt“, sagt Irmgard Müller. Die Männer, die sich vorher auch nicht kannten, sind sichtlich stolz auf die gelungene Aktion. „Ich bin wirklich innerlich zufrieden. Uns geht es doch gut. Und wenn man dann sieht, wie glücklich man diese Menschen macht, hat sich die ganze Mühe gelohnt“, sagt Rico Weinheimer.

Es kostet Werner Müller eine große Kraftanstrengung, auszudrücken, wie er den selbstlosen Einsatz der Männer findet: „Wunderbar.“ Beide hätten sie vor lauter Aufregung kaum ein Auge zugemacht, sagt seine Ehefrau Irmgard. „Heute ist ein sehr schöner Tag. Die Bauarbeiter haben innerhalb kürzester Zeit alles flink hintereinanderweg erledigt“, sagt sie. Nun hofft die Seniorin, dass sich schnell entscheidet, ob ihr Werner erneut ein Rezept für einen elektrischen Rollstuhl ausgestellt bekommt. Betreuerin Katrin Gaudlitz will sich gleich am heutigen Montag darum bemühen. Denn Irmgard Müller hat einen Herzenswunsch: „Mit meinem Mann in ein Café gehen und einen Kaffeetrinken.“ Ihre Augen leuchten beim bloßen Gedanken daran.