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Neonazis finden Anschluss

Proteste vor Flüchtlingsheimen haben es gezeigt: Neonazis und sogenannte besorgte Bürger üben in ihrer Ablehnung von Fremden den Schulterschluss. Laut einer Studie verschwimmen die Grenzen zunehmend.

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© dpa

Dresden. Neonazis und Rechtsextreme finden in Sachsen immer mehr Anschluss ans bürgerliche Lager. Zu diesem Schluss kommt die Studie „Sachsen rechts unten 2016“, die am Freitag in Dresden vom sächsischen Landesbüro der Friedrich-Ebert-Stiftung und dem Kulturbüro Sachsen vorgelegt wurde. Darin wird anhand von Beispielen wie den Anti-Asylheim-Protesten in Einsiedel, Freital oder Heidenau aufgezeigt, wie rechtsextreme Strukturen die Stimmung für sich nutzen und der Abgrenzungsbedarf sogenannter besorgter Bürger zu bekennenden Neonazis schwindet. Damit gehe eine Radikalisierung einher, bei der auch Bündnisse wie Pegida als Katalysator dienten.

Zwar sei die NPD an vielen rassistischen Protesten beteiligt. Allerdings verliere die rechtsextreme Partei in Sachsen weiter an Bedeutung, heißt es in der Studie. Dagegen gelinge es neuen Parteien, die sich Die Rechte oder Der III. Weg nennen, zunehmend, Anhänger zu gewinnen und Fuß zu fassen. Sie rekrutierten sich auch aus früheren NPD-Kadern.

Der III. Weg habe die Proteste massiv beeinflusst, sagte Jens Paßlack vom mobilen Beratungsteam des Kulturbüros und nannte das Beispiel Einsiedel. Die Bekanntmachung, dass dort ein früheres Pionierlager zur Flüchtlingsunterbringung genutzt werden solle, „hat zu sehr heftigen Reaktionen geführt, die aber zuerst nicht rassistisch oder neonazistisch aufgeladen waren“. Schon nach wenigen Wochen seien dort jedoch Aktivisten des III. Weges aufgetaucht und hätten den Protest radikalisiert.

Die aus Franken stammende Partei habe schon Anfang 2015 eine Handreichung herausgegeben, „in der sehr dezidiert beschrieben wird, wie asylfeindliche Proteste konkret gestaltet werden können“, sagte Paßlack. „Die Zielrichtung dabei ist vor allem, den lokalen Diskurs zu beeinflussen.“ Beschrieben werde ganz konkret, wie Mandatsträger unter Druck gesetzt oder Bürger dazu gebracht werden könnten, sich den Protesten anzuschließen. „Dieser Leitfaden hat die Runde gemacht, dass konnten wir erkennen.“

Auch Vertreter der Neuen Rechten wie der Verleger Götz Kubitschek oder der „Compact“-Herausgeber Jürgen Elsässer hätten versucht, das Beispiel Einsiedel „als vermeintlichen Bürgerprotest bundesweit publik zu machen“, sagte Paßlack. Die Proteste in Einsiedel hätten aber „sehr schnell einen ganz deutlichen Einschlag bekommen, weil bei den Menschen, die dort demonstriert haben, keinerlei Abgrenzungsbedarf zu offen rassistischen und neonazistischen Positionen und Akteuren besteht“. Die Radikalisierung habe dann auch zu Angriffen auf Flüchtlinge und einen Anschlag auf das Heim geführt.

Im Fahrwasser der „völkisch-rsaasistischen Pegida-Bewegung“ hätten sich neu-rechte und rechtspopulistische Strukturen insgesamt verfestigt und seien nun auf dem Vormarsch, heißt es in der Studie. „Ihre Massenaufmärsche wirken auf Neonazis und andere Rassit_innen wie ein Katalysator, der zu weiteren Aktionen und bei anhaltendem Nichterfolg auch zu Gewalt anspornt.“ Von vielen Anhängern der Szene werde die AfD als parlamentarischer Arm verstanden, sagte Michael Nattke, Fachreferent beim Kulturbüro.

Rassisten stellten aber in Sachsen nicht die Mehrheit, so das Fazit der Studie. In dieser besonderen Situation hätten zahlreiche menschenrechtsorientierte Gruppen und Einzelpersonen in Netzwerk gebildet, sich den Rechten entgegengestellt „und ein anderes Beispiel von Gesellschaft vorgelebt“. Ihr Engagement gebe der demokratischen Gesellschaft derzeit ihre Stabilität. (dpa)