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Napoleons Kugel steckte in der Wand

Bei der Schlacht um Dresden landete 1813 ein Geschoss im Haus der Familie Vogel. Auf Umwegen kam es nach Waldheim.

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© André Braun

Von Tina Soltysiak

Waldheim. Hans-Karl Vogel erinnert sich noch genau an den Tag, als sein Vater Kurt nach Hause nach Rudelsdorf kam und eine originale Kanonenkugel aus dem Jahr 1813 in der Hand hielt – abgeschossen von Napoleons Heer. „Er war total begeistert“, sagt Vogel. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war das. Vogel war damals 13 Jahre alt. „Wir wollten die Kugel sehen. Es war toll“, sagt der heute 82-Jährige.

Sein Vater Kurt hatte, auf gute Deutsch gesagt, den richtigen Riecher. Dessen Onkel Clemens habe damals in einem Bauerngut in Dresden-Altzschertnitz gelebt. „Im Giebel waren Einschusslöcher zu sehen. Er war der Meinung, da könnten noch Kugeln drinstecken“, erzählt Hans-Karl Vogel. Also habe Kurt zwei Leitern zusammengebunden, diese an den Giebel gelehnt, in jedes Loch gegriffen und schließlich dabei die Kugel ans Tageslicht geholt. Sie hat einen Durchmesser von 91 Millimetern und ist 2780 Gramm schwer. „Er hat sie damals auf einen Eichensockel schrauben lassen und als Briefbeschwerer auf dem Schreibtisch liegen gehabt“, erinnert er sich. Nach dem Tod des Vaters ging das Relikt aus Napoleons Zeiten in Hans-Karl Vogels Besitz über. Seit wenigen Tagen steht sie in der Napoleon-Ausstellung in Bergmanns Hof in Waldheim. Deren Betreiber Albrecht Bergmann ist die Freude über die Leihgabe anzusehen. „Wir hatten vor drei Jahren schon einmal Kontakt. Damals habe ich vergessen, mir die Daten geben zu lassen. Da habe ich mich ganz schön geärgert“, sagt er. Doch vor drei Wochen habe Vogel erneut angerufen. Und dann wurden gleich Nägel mit Köpfen gemacht.

Kanonenkugeln hat Bergmann schon einige in seiner Napoleon-Ausstellung. „Doch zu dieser gibt es eine belegbare Geschichte. Davon gibt es in meiner Sammlung nur ganz wenige Stücke“, sagt Albrecht Bergmann.

Dass die Kugel von 1813 stammt, hätte Vogels Familie aufgrund von Erzählungen der Dresdner Nachbarn vermutet, sagt der gebürtige Rudelsdorfer. Im Internet-Lexikon Wikipedia hat er geschaut, ob sich diese mit Fakten belegen lassen. Er fand eine Karte zur militärischen Situation am 27. August 1813 zur Schlacht bei Dresden. Farbig gekennzeichnet sind die Orte und Straßenzüge, die von den Österreichern, Russen, Preußen oder Franzosen umkämpft waren. „Es lässt sich sehen, dass die Kugel von den Franzosen, also von Napoleons Truppen, abgefeuert worden sein muss“, sagt Vogel.

Seine Entscheidung, die Kugel samt ihrer Geschichte in Waldheim ausstellen zu lassen, bereut Karl-Hans Vogel, der mittlerweile in Döbeln wohnt, nicht. Am Montag hat er sich angeschaut, wo das auf einen Eichensockel montierte Geschoss steht. Albrecht Bergmann sagt: „Neben dem Tisch, an dem die meisten Leute sitzen.“

Napoleon in Waldheim

Napoleon Bonaparte lebte von 1769 bis 1821.

Am 6.Mai 1813 soll Napoleon mit seinem Heer durch Waldheim gezogen sein und im Haus am Niedermarkt 8 übernachtet haben. Dies hieß jahrelang Napoleonhaus. Derzeit wird es saniert, und ab sofort als Stadt- und Museumshaus bezeichnet.

Die Schlacht um Dresden wurde am 26. und 27. August 1813 zwischen französischen Truppen unter Napoleon und dem Hauptheer der verbündeten Armeen Österreichs, Preußens und Russlands ausgetragen. Napoleon errang dabei einen seiner letzten Siege auf deutschem Boden.

Die Ausstellung über die Zeit Napoleons in Sachsen und Waldheim befindet sich in Bergmanns Hof am Obermarkt 9 in Waldheim.

Besichtigungstermine können unter Tel. 0162 9658525 vereinbart werden.